Auch schwules Geld läßt die Kassen klingeln

■ Deutsche Firmen haben Homosexuelle als kaufkräftige Zielgruppe entdeckt

Berlin (taz) – Wo Extraprofite winken, stört bürgerliche Moral nur das Geschäft. Schwule und Lesben, lange Zeit von der Wirtschaft links liegen gelassen, werden zunehmend als Konsumenten ernst genommen und umworben. Denn die „Zielgruppe Rosa“ hat Geld und gibt es gerne aus.

Wieviel Deutschlands Homosexuelle in der Tasche haben, hatte erstmals eine Umfrage der Schwulenmagazine Männer aktuell und Magnus 1994 gezeigt. Danach haben knapp ein Drittel der schwulen Haushalte mehr als 6.000 Mark monatlich zur Verfügung. Nur elf Prozent der deutschen Heterohaushalte stehen finanziell ebenso gut da. Der Anteil von Schwulen und Lesben an der Bevölkerung wird auf bis zu fünf Prozent – das sind vier Millionen – geschätzt, in den Metropolen sogar auf zehn Prozent. Außerdem gelten Schwule als markenbewußt. So sieht die Werbeindustrie sie seit längerem als Topzielgruppe.

Doch es dauerte, bis die Wirtschaft den Enthusiasmus der Marketingexperten teilte. Die Zigarettenreklame von West, bei der bereits 1993 ein schwules Hochzeitspaar auf den Werbeplakaten prangte, blieb zunächst eine Ausnahme. Inzwischen hat sich einiges getan. Beck's hat 1997 zum zweiten Mal den Christopher Street Day gesponsert. Neckermann gibt unter dem Namen „mantours“ eine Reisebroschüre heraus. Und manches Unternehmen inseriert jetzt direkt in schwulen Medien.

In den USA hat die Wirtschaft die homosexuellen Traumkonsumenten bereits in den 80ern entdeckt. Dort wird der schwule Markt viel selbstverständlicher umworben. Ikea präsentierte schon vor fünf Jahren ein schwules Paar, das sich endlich den langersehnten Eßtisch fürs traute Heim leistete. Unternehmen wie Apple, Toyota oder AT&T zogen mit ähnlichen Spots nach. Kein Wunder: Knapp die Hälfte aller Schwulen in den USA sitzen in wirtschaftlichen Führungspositionen.

Trotz dieser Entwicklung gibt es in Deutschland nach wie vor Vorbehalte gegen gezielt schwules Marketing. So wird auch argumentiert, dies würde Schwule erst recht zur Randgruppe abstempeln. Pfiffiger sind da beispielsweise Kosmetikhersteller. Die schlagen lieber zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn gutgebaute Männerkörper sprechen Schwule und Frauen an. Niels Boeing