Annans Coup macht Clinton sprachlos

■ Der UNO-Generalsekretär hält sein Abkommen mit dem Irak für einen Erfolg. Clinton dagegen trat gestern vor die Presse, um nichts zu sagen. UN-Inspekteure sollen Saddams Paläste „in einem vernünftigen Zeitraum“ untersuchen

Washington/Bagdad (taz/rtr/AFP/dpa) – Bill Clinton fehlten die Worte: Nachdem gestern früh UN-Generalsekretär Kofi Annan und Iraks Vizepremier Tarik Aziz ein Abkommen unterschrieben hatten, ließ der US-Präsident verlauten, er werde eine Erklärung abgeben, dann ließ er das dementieren, und schließlich trat er doch noch vor die Presse – und sagte nichts, jedenfalls nichts Inhaltliches. Bevor er sich erklären könne, wolle er sich mit Boris Jelzin, Tony Blair und Jacques Chirac beraten, sagte Clinton. Das war selbst CNN zu substanzlos. Der US-Nachrichtensender schaltete sich aus der Pressekonferenz aus und wechselte nach Bagdad.

Dort hatten am Morgen Kofi Annan und Tarik Aziz überraschend doch noch ein Abkommen über die Inspektion der sogenannten irakischen Präsidentenpaläste unterschrieben. Die UN-Kontrolleure hätten „uneingeschränkten Zugang“ zu den Gebäuden, erklärte Annan auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. Nach Informationen der taz soll in dem Abkommen jedoch die Kompromißformel stehen, die Durchsuchungen müßten „in einem vernünftigen Zeitraum“ durchgeführt werden. Diese Formulierung wird Annan dem US-Präsidenten noch schmackhaft machen müssen, schließlich hatte der sich vor der Reise offiziell jeden Kompromiß verbeten. Gestern mittag flog der UN-Generalsekretär erst einmal nach Paris. Um zu schlafen, hieß es von der UNO, Gespräche seien in der französischen Hauptstadt nicht vorgesehen.

Als wäre in Bagdad nichts passiert, setzten die US-Truppen gestern ihren Aufmarsch am Golf fort. Iraks Staatsführung nutzte die Vereinbarung dagegen zur Selbstdarstellung. Das Abkommen beweise, daß Irak über mehr Glaubwürdigkeit verfüge als die USA und Großbritannien, hieß es in einer Erklärung des Revolutionären Kommandorats, dem höchsten Staatsgremium Iraks. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur INA sollen die Präsidialanlagen nun von einem „Sonderteam“ kontrolliert werden. Aziz unterstrich, Bagdad werde „mit dem Generalsekretär der UNO“ bei der Umsetzung des Abkommens voll zusammenarbeiten. Das Ziel seiner Regierung bleibe die vollständige Aufhebung der seit dem irakischen Überfall auf Kuwait 1990 geltenden UN-Sanktionen, vor allem des Ölembargos. Die Kombination von Sanktionen und mangelndem Kooperationswillen Saddam Husseins habe nach Angaben von Hilfsorganisationen in den vergangenen sieben Jahren Tausende Menschenleben gefordert. Vor allem Kinder starben an Unterernährung und mangelnder medizinischer Versorgung, obwohl Lebensmittel und Medikamente eigentlich von dem Embargo ausgenommen sind.

Eine sofortige Wirkung hatten die Nachrichten aus Bagdad auf den internationalen Ölmarkt: Die Preise fielen. Für deutsche Verbraucher wurde sogar das Heizöl billiger. In Rotterdam kostet Heizöl derzeit 132 Dollar je Barrel (159 Liter). So niedrig lagen die Preise nach Angaben von Esso zuletzt im Juni 1990. Jeremy Peat, Ölanalyst der Royal Bank of Scotland, begründete den Verfall Montag damit, daß mit einer möglichen Entschärfung der Irak-Krise auch die Risiken des Programms „Öl für Nahrungsmittel“ mit dem Irak beseitigt werden könnten. Außerdem bestehe nun Aussicht auf Ausweitung des Programms.

Vor der Annan-Reise hatte der Weltsicherheitsrat am Freitag im Eilverfahren beschlossen, dem Irak künftig Ölexporte im Wert von 5,2 Milliarden US-Dollar pro Halbjahr zu erlauben. Bisher war der Umsatz dieses „Öl für Nahrungsmittel“ genannten Abkommens auf zwei Milliarden Dollar beschränkt gewesen. Offiziell wird bei der UNO jeglicher Zusammenhang zwischen der Ausweitung dieses Programms und dem gestrigen Abkommen bestritten. Inoffiziell weisen jedoch Diplomaten darauf hin, daß die US-Regierung trotz aller Unnachgiebigkeit diesen Schritt unterstützt habe. taud

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