piwik no script img

Ein Mann für knifflige Jobs

Mit seinem Erfolg in Bagdad hat Kofi Annan nicht nur die UNO aufgewertet, sondern auch seine eigene Position für künftige Aufgaben gestärkt  ■ Von Andreas Zumach

Genf (taz) – Bei allem gegenwärtigen Wirrwarr um die „richtige“ Aussprache des Nachnamens von Kofi Annan ist die Bedeutung seines Vornamens unumstritten – selbst in der ARD: Kofi „der Sohn, der am Freitag geboren wurde“, und zwar am 8. April 1938 in der damals noch britischen Kolonie Ghana. Hätte Kofi Annan nach ersten Studiensemestern an der Universität von Kumasi sein Heimatland nicht verlassen, wäre er heute nicht UNO-Generalsekretär, sondern Stammesführer des Fante- Volkes.

Statt dessen setzte er sein Studium am renommierten Massachusetts Institute of Technology fort sowie am Institut für internationale Studien der Universität in Genf. Hier begann Annan 1963 auch seine UNO-Karriere in der Finanzverwaltung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Lediglich unterbrochen von zwei Jahren als Direktor der ghanaischen Agentur für Tourismusentwicklung, führte ihn diese UNO- Karriere über Addis Abeba, Kairo und das ägyptische Ismalia 1984 ins UNO-Hauptquartier nach New York.

Dort bekleidete Annan führende Posten unter anderem als Untergeneralsekretär für Planung, Haushalt und Finanzen sowie ab 1990 bis Ende 1996 für die Peacekeeping-Missionen. Die Erfahrung, wie die wichtigsten Mitgliedsstaaten in diesen ersten Jahren nach dem Ende der globalen Ost-West-Konfrontation die Institution UNO und damit in erster Linie seine Abteilung zum Sündenbock machten für ihr eigenes Scheitern in Somalia, Bosnien und Ruanda, hat Annan nachhaltig geprägt.

Und er macht sich keinerlei Illusionen über die Machtverhältnisse innerhalb der Weltorganisation – das heißt insbesondere über die derzeitige Dominanz der USA. Doch das Kalkül der Clinton-Administration vom Herbst 1996, mit dem mit der Nichte des schwedischen Diplomaten Wallenberg verheirateten dreifachen Familienvater einen bequemen Nachfolger für den ungeliebten Generalsekretär Butros Butros Ghali zu installieren, der kein politisches Profil hat und nur die von Washington verlangten Einsparungen und Organisationsreformen durchführt, ging nicht auf.

Zwar hat Annan einen Teil dieser auch von ihm als notwendig erkannten Reformen angepackt. Zugleich setzte er aber auch politische Akzente, die vor allem bei den erklärten UNO-Gegnern im US- Kongreß nicht gut ankamen. Mit seinem beim Amtsantritt vor 14 Monaten erklärten Ziel, die USA zur Zahlung zumindest eines Teils ihrer 1,5 Milliarden US-Dollar Schulden bei der UNO-Kasse zu bewegen, ist Annan gescheitert. Bei vielen Mitgliedsländern vor allem aus dem Süden hat das zu einiger Unzufriedenheit mit dem ersten Generalsekretär geführt.

Doch bei der Mitarbeiterschaft genießt Annan inzwischen ein höheres Ansehen als die meisten seiner sechs Vorgänger. Nicht nur, weil er als erster Generalsekretär nicht aus dem diplomatischen Dienst eines Mitgliedslandes, sondern aus der Institution kommt. Zu seinem Ansehen beigetragen haben auch sein ruhiges, aber bestimmtes, auf Überzeugung setzendes Auftreten, sein freundlicher Stil im Umgang mit untergebenen Mitarbeitern und seine Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit großen bürokratischen Herausforderungen.

Auch viele bei der UNO akkreditierte Diplomaten schätzen Annan als verläßlich, ruhig und besonnen, als einen Mann für besonders knifflige Fälle. Diese Eigenschaften nützten ihm bislang schon als Untergeneralsekretär für Peacekeeping-Maßnahmen bei seinen bislang schwierigsten Missionen in Somalia und Ruanda. Nicht zuletzt haben sie auch mit beigetragen zum bisher größten Erfolg seiner UNO-Karriere, der Vereinbarung von Bagdad.

In der irakischen Hauptstadt hatte Annan schon zuvor zweimal für die UNO verhandelt: 1990, nach dem irakischen Überfall auf Kuweit, über die Freilassung von Geiseln und UN-Personal sowie 1995 über eine Lockerung der UNO-Sanktionen aus humanitären Überlegungen (Öl-für-Nahrungsmittel-Abkommen.) Alle diese Einsätze waren natürlich auch schon ein Erfolg, wie jetzt in der UNO-Zentrale betont wird. Doch erst mit der jüngsten Vereinbarung hat Annan den 51.000 MitarbeiterInen der UNO der in den letzten Jahren so häufig geschmähten Institution ein neues Selbstwertgefühl gegeben. Gleichzeitig hat der Generalsekretär auch seine eigene Position gestärkt, für die vor ihm liegenden Herausforderungen, die kaum leichter werden dürften als die Gespräche in Bagdad. Dabei steht an erster Stelle das Bemühen, die USA endlich zur Zahlung ihrer Schulden an die UNO zu veranlassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen