Heimkehr aus dem Stahlgewitter

■ Roberto Rossellinis Abkehr vom Propagandafilm und letzter Teil der Kriegs-Trilogie Der Mann des Kreuzes im Metropolis

Für Kino wie auch für die Literatur und die Malerei ist Krieg eine Frage der Darstellung. Bei keinem anderen Filmgenre achtet die Kritik so sehr auf ideologische Implikationen wie bei Kriegsfilmen. Vor einer ästhetischen Beurteilung steht meistens die Frage, ist der Film ein Plädoyer für oder gegen den Krieg, ergreift er Partei für eine Seite oder nicht.

Roberto Rossellini begann seine Karriere als Filmemacher unterstützt vom italienischen Kriegsministerium. In seinen ersten Filmen Das weiße Schiff und Ein Pilot kehrt zurück zeigte er den See- bzw. den Luftkrieg. Sein dritter Film Der Mann des Kreuzes (1942/43) ist oberflächlich betrachtet der Abschluß einer Kriegsfilm-Trilogie, in dem Panzer die technischen Protagonisten darstellen. Aber der Krieg hat seine technologische Faszination verloren. Während die Schiffe und Flugzeuge in ihrer übermächtigen Kampfanordnung noch als ein Symbol der Macht fungierten, verlieren sich die Panzer im Chaos des Kampfes. Ort der Handlung: die russische Front, nicht weit von Stalingrad.

Vor diesem Hintergrund überrascht der Anfang. In einer bukolischen Landschaft nehmen einige Männer, die erst auf den zweiten Blick als Soldaten zu erkennen sind, ein Bad. Andere liegen scherzend im Gras. Von den Bäumen zwitschern die Vögel. Erst das Eintreffen einer Panzergarnison läßt erkennen: Es herrscht Krieg.

Der Mann des Kreuzes ist ein Militärgeistlicher und Arzt (Alberto Tavazzi). Anstelle des Christuskreuzes schleppt er einen verwundeten Soldaten in ein russisches Dorf, das fatalerweise von seinen Landsleuten erobert werden soll. Der Kampf ums Überleben wird so auch ein Kampf gegen die Angriffe der eigenen Leute. Auf vielen Nebenschauplätzen inszeniert Rosselini Alberto Tavazzi als einen Helden mit Erlöserpotential. Der Geistliche orientiert sich nicht an Kategorien wie Italiener und Russe, Freund und Feind. Indem er zwischen den Fronten steht, steht er auch außen vor. Wenn er sich mit dem Verletzten auf den Schultern durch ein Bombengewitter schleppt, scheint ihn eine göttliche Macht zu beschützen. Er verpflastert ebenso italienische Soldaten wie russische Rebellen. Für die Taufe eines russischen Kindes riskiert er sein Leben, und der russischen Widerstandskämpferin Irina, gespielt von Rossellinis damaliger deutschen Lebensgefährtin Roswitha Schmitz, nimmt er die Lebensbeichte ab.

Lassen sich die beiden ersten Filme noch als Auftragsarbeiten im Dienste des Ministeriums verstehen, tritt hier der todbringende Schrecken des Krieges in den Vordergrund. Sein Zweck ist nicht mehr die Weltherrschaft, sondern beschränkt sich auf die Eroberung eines winzigen Dorfes. Für Rossellini selbst bedeutet der Film die Abkehr von staatsdienlicher Propaganda und die Hinwendung zum Persönlich-Privaten, wie sie sich in seinen späteren Filmen fortsetzt.

Joachim Dicks

nur heute, 21.15 Uhr, Metropolis, mit einer Einführung von Thomas Tode