Ex-Polizeichef verurteilt

■ Luis Roldán, Zentralfigur der spanischen Korruptionsskandale, bekommt 28 Jahre Knast

Madrid (taz) – Der ehemalige Generaldirektor der spanischen Polizei Guardia Civil, Luis Roldán, muß für 28 Jahre hinter Gitter, vier weniger, als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Das Madrider Provinzgericht befand den Ex- Chef der paramilitärischen Landpolizei des „Betrugs, der Bestechung und Veruntreuung öffentlicher Gelder“ für schuldig. Roldán hat während seiner Amtszeit von 1986 bis 1993 über 70 Millionen Mark in die eigene Tasche gewirtschaftet. Roldáns Ehefrau Blanca Rodriguez wurde zu vier und sein Vermögensverwalter Jorge Esparza zu neun Jahren Haft verurteilt. Vier weitere Angeklagte wurden freigesprochen.

Roldán steht wie kein zweiter für die Korruption der sozialistischen Regierung unter Felipe González. Im November 1993, als er zum Innenminister berufen werden sollte, setzten Enthüllungen der Tageszeitung Diario 16 Roldáns steiler Karriere vom einfachen Mitglied der regierenden PSOE zum führenden Regierungsbeamten ein jähes Ende: Kein einziger der Bauaufträge an Guardia- Civil-Kasernen war öffentlich ausgeschrieben worden. Angeblich aus Sicherheitsgründen suchte er persönlich die Baufirmen heraus, die den Zuschlag erhielten. Diese dankten mit Schmiergeldzahlungen. Unternehmer, die um Schutz vor der baskischen Separatistengruppe ETA baten, wurden von Roldán dafür ebenfalls zur Kasse gebeten.

Einen Großteil des Geldes legte Roldán in der Schweiz an. Mit dem Rest schneiderte er sich ein Immobilienimperium zurecht. Roldán, der bei seinem Amtsantritt nur eine Vierzimmerwohnung in seiner Heimatstadt Zaragoza besaß, brachte es zum stolzen Besitzer mehrerer Luxusvillen in verschiedenen Regionen Spaniens.

Von den richterlichen Ermittlungen aufgeschreckt, setzte sich Roldán im Sommer 1994 ab. Während ihn seine Flucht durch drei Kontinente führte, staunten die Ermittler zu Hause nicht schlecht. Nicht einmal der Universitätstitel Roldáns war echt. Der Karrieresozialist hatte sich seinen Lebenslauf zusammengefälscht. Nach zehn Monaten wurde Roldán in Laos verhaftet und ausgeliefert.

Roldán dürfte auch nach seiner Verurteilung für Schlagzeilen sorgen. Seit seiner Verhaftung tritt er gegen seine ehemaligen Kollegen im Innenministerium als Zeuge auf. Er beschuldigt sie, hinter dem schmutzigen Krieg der Antiterroristischen Befreiungsgruppen (GAL) zu stecken, deren Anschlägen in den achtziger Jahren 28 Menschen aus dem ETA-Umfeld zum Opfer fielen. Die Gerichtsverhandlungen in Sachen GAL werden in den nächsten Wochen eröffnet. Reiner Wandler