Ziviler Ungehorsam gegen das Handelssystem

■ Appell von Delegierten aus fünf Kontinenten zu Welthandel und Investitionsabkommen MAI

Genf (taz) – „WTO – We Take Over“ – so hat das diese Woche in Genf gegründete weltweite Netzwerk Peoples Global Action die Welthandelsorganisation umgetauft. Im Mai werden hier in Genf Staatschefs und Minister zur zweiten WTO-Konferenz zusammentreffen. Anläßlich des 50jährigen Bestehens des multilateralen Handelssystems (zunächst Gatt, dann WTO) will man die „Vergangenheit feiern und die Zukunft vorbereiten“.

Die 400 Abgesandten von Basisbewegungen aus allen fünf Kontinenten sehen keinen Grund zu feiern. Sie vertreten jene, die aufgrund dieses Systems verarmen – und damit die Mehrheit der Weltbevölkerung – sowie Umweltbewegungen. Von Lobbying versprechen sie sich keine grundlegenden Veränderungen. Statt dessen wollen sie möglichst viele Menschen zum Widerstand gegen neoliberale Politik bewegen.

Aufgerufen zum Kongreß hat ein Komitee, an dem zum Beispiel die brasilianische Landlosenbewegung Sem Terra, die mexikanische Frente Zapatista und aus Nigeria die Bewegung für das Überleben der Ogoni beteiligt waren. Den Anstoß dazu gab die „Vorbereitung der Zukunft“ in Form des derzeit von den OECD-Ländern verhandelten Multilateralen Abkommens über Investitionen (MAI).

Das MAI räumt multinationalen Unternehmen weitergehende Rechte ein als irgendeine andere der 1.200 bestehenden bilateralen Investitionsvereinbarungen. Die Konferenzteilnehmer befürchten als Folge, daß sich die Staaten einen bezüglich Umwelt- und Sozialstandards ruinösen Standortwettbewerb liefern. Auf dem Kongreß in Genf wurde aus allen Teilen der Welt von Widerstandsaktionen gegen neoliberale Politik berichtet.

Nanjunda Swamy von einer Kleinbauernorganisation aus Bangalore in Indien beschrieb, wie die Bauern der Region ihre Existenzgrundlage durch die Ansiedlung des Agrikultur-Multis Cargil ihre Existenz verlieren. Tausende Bauern stürmten das Firmengebäude und verbrannten auf der Straße alle Papiere, die sie darin fanden.

Der Post-Gewerkschafter Dave Bleakney aus Kanada hat gerade vor zwei Wochen mit 3.000 anderen zusammen eine Großbank besetzt. Ein englischer Aktivist war dabei, als im Garten des britischen Industrieministers nach Braunkohle gegraben wurde.

Peoples Global Action will diese vereinzelten Widerstände vernetzen. Parallel zur WTO-Tagung werden RepräsentantInnen der Bewegungen in Genf zugegen sein, um die Presse über Proteste auf den einzelnen Kontinenten zu informieren. So wird es beispielsweise Anfang Mai ab Frankfurt eine Karawane von Fahrrädern und Treckern Richtung Genf geben. Friederike Habermann