■ Vorschlag
: Ein Film über die „Polen vom Potsdamer Platz“ im Arsenal

Aus den Lautsprechern kommen große Worte. Sie kommentieren die zahlreichen Modelle jener Beton-, Glas- und Stahlkolosse, die irgendwann am Potsdamer Platz stehen sollen, als „neues Wahrzeichen Berliner Lebenslust und Ausdruck der Zukunftsgestaltung im 21. Jahrhundert“, wie die freundliche Männerstimme meint. Es ist Ironie, daß ausgerechnet Zygmunt Mscicz diese Worte hört, auch wenn er sie wohl nicht versteht. Denn Mscicz gehört zu den 5.000 Bauarbeitern aus 20 Nationen, die im letzten Jahr an Europas größter Baustelle tätig waren, um die hochtrabenden Pläne der multinationalen Konzerne zu realisieren. Msciczs Deutsch beschränkt sich auf wenige Brocken: „Berlin, Arbeit, Potsdamer Platz“ muß als Anweisung für den polnischen Vertragsarbeiter reichen, der eingekauft wurde, um bis zum April 98 Aufbauarbeit zu leisten. In Berlin haust er mit einigen Kollegen in einem 12 Quadratmeter kleinen Container – genug zum Essen, Schlafen und Rauchen. Auf der Baustelle hingegen wird schon mal der Lohn gesenkt, kommen auch schon mal 300 Überstunden zusammen, die wohl nicht bezahlt werden.

Aber Zygmunt Mscicz ist nicht verbittert, im Gegenteil. Mit bewundernswerter Zähigkeit malocht der Pole und sagt: „Ich werde weiterarbeiten, solange ich kann.“ Denn die unter deutschem Lohnniveau bezahlte Arbeit in Berlin bringt immerhin das Fünffache von dem ein, was sich auf einer polnischen Baustelle verdienen läßt. Mit dem Geld kann er dann in Polen die eigene Wohnung renovieren und seiner Tochter Ewa die aufwendige Kommunion bezahlen.

„Die Polen vom Potsdamer Platz“, eine einstündige Dokumentation von Dorothee Wenner und Kornel Miglus, streift immer wieder die politische Dimension der ost-westlichen Arbeitsverhältnisse. Doch viel stärker wirken die Schlaglichter, die die Filmemacher auf den Alltag von Mscicz werfen. Wenn er im grenznahen Laden den Preis für Kochtöpfe herunterhandeln will, sich über die „Deutsch- Polen“ aufregt, denen der Job am Potsdamer Platz zu hart sei, oder sich daheim um seine Tauben kümmert. Langsam und eindringlich wird dann auch klar, daß man ihn für seine Arbeitskraft, nicht aber für sein ständiges Heimweh bezahlen kann. Nach einer Woche Baustelle sagt Zygmunt Mscicz im Auto auf dem Weg nach Hause: „Man riecht schon die polnische Luft.“ Thomas Klein

Premiere, heute, 21 Uhr, im Arsenal, Welserstraße 25; danach 4.3., Polnisches Kulturinstitut, und 6.3., Babylon-Mitte.