Giftmüllschieberei lukrativ wie das Drogengeschäft

■ Mutmaßliche Giftschieber wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung vor Gericht

Frankfurt/Berlin (dpa/taz) – Umweltkriminalität sei eine „dynamische Zukunftsbranche“, ist man sich in der hessischen Zentralstelle für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sicher. Eine Firmengruppe mit Sitz unter anderem in Berlin und Hamburg hat zwischen 1991 und 1996 erfolgreich an dem Wachstumsmarkt teilgenommen. Mit illegaler Giftmüllbeseitigung vor allem in den neuen Bundesländern hat sie mehrstellige Millionenbeträge eingenommen. Seit gestern müssen sich vor dem Frankfurter Landgericht sieben Männer nicht nur wegen stark umweltgefährdender Abfallbeseitigung verantworten, sondern auch wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung. Wegen dieses Vergehens wurden in Deutschland Umweltkriminelle noch nie verurteilt.

Für die sachgerechte Entsorgung von Giftmüll werden sehr hohe Beträge gezahlt. Die Firmengruppe hat dann aber zum Beispiel den giftigen Inhalt von 1.840 Tanklastzügen – Ölschlämme, Lösemittel, hochbelastete Schmiermittel und unbekannte Chemikalien – einfach in harmloses Altöl umdeklariert und in einem Recyclingcenter in Brandenburg verbrennen lassen. Die Verwertungsfirma Schwarze Pumpe bezahlte die Firmengruppe dann noch einmal: für den vermeintlichen Sekundärrohstoff Altöl.

Auch anderswo in den neuen Bundesländern, seltener in den alten, fanden die kriminellen Müllunternehmer Abnehmer. Giftige Rückstände aus industriellen Filteranlagen landeten auf Deponien in Thüringen und Sachsen-Anhalt, sogar in einer Kompostanlage nahe dem sächsischen Meißen. In der Deponie Schneidlingen (Sachsen- Anhalt) wurde bereits das Grundwasser verseucht. Die Kosten für die Beseitigung der Umweltschäden sind noch nicht zu beziffern.

Der in Untersuchungshaft sitzende Hauptangeklagte, Ansgar Junge-Hülsing, hat bislang die Vorwürfe abgestritten. Sein Expartner Lüdecke Carsten Willenbruch hat hingegen illegale Abfallbeseitigung eingestanden. Außerdem stehen noch zwei Betriebsleiter, zwei Maschinisten und der Leiter eines Fuhrparks vor Gericht. Über 50 weitere Ermittlungsverfahren wurden überdies eingeleitet, darunter auch gegen Bedienstete von Landesaufsichtsbehörden, denen Bestechlichkeit vorgeworfen wird. Das Gericht hat erst einmal 59 Verhandlungstage bis Ende des Jahres angesetzt. Der Prozeß dauert aber wegen der teilweise sehr komplizierten und vertuschten Fälle vielleicht noch Jahre.