Grassierender Irrsinn mit Methode

Trotz des leicht chaotischen Spitzenspiels SC Freiburg – FC Gütersloh (2:1) ist es Zeit, die Chaostheorien über die zweite Fußballbundesliga fallenzulassen  ■ Aus Freiburg Ulrich Fuchs

Seit Montag abend ist also klar: Der SC Freiburg wird in die Bundesliga zurückkehren. Na ja, aller Wahrscheinlichlichkeit nach jedenfalls.

Andererseits, was funktioniert schon nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit in Deutschlands zweithöchster Fußballklasse? Versuchen wir es also lieber andersrum und sagen: Der SC Freiburg wird aufsteigen – nicht weil er am Montag das Spitzenspiel gegen den FC Gütersloh mit 2:1 gewonnen, sondern weil er es nicht verloren hat.

Vor gut einer Woche sah das alles noch ganz anders aus: Freiburg hatte verloren, auch ein Spitzenspiel, 0:1 gegen den 1. FC Nürnberg, und Felix Magath, der Trainer der Franken, beschied hernach einen Frager unwirsch: „Natürlich wird Freiburg aufsteigen, das haben Sie doch gesehen, die waren uns doch haushoch überlegen.“

Ja spinnen die eigentlich in der zweiten Liga? Hat sich die Lage noch weiter zugespitzt, seit Hannes Linßen, der Trainer des FC Gütersloh, vor einem Jahr die These wagte: „Kaiserslautern wird Meister, die anderen 17 spielen gegen den Abstieg, und zwei von ihnen werden mit aufsteigen“? Ist der Mann mit der Clownsfrisur, der mindestens so nett ist, wie er aussieht, mit seinem FC Gütersloh selbst der schlagendste Beweis für den grassierenden Irrsinn in der zweiten Liga? Schließlich waren die Westfalen vergangene Saison nur mit Ach und Krach am Abstieg vorbeigeschrammt, hatten anschließend größte Schwierigkeiten, die DFB-Lizenz zu erhalten – um dann nach Notverkäufen und Low-budget-Verstärkungen zum ernst zu nehmenden Aufstiegskandidaten zu avancieren. Die zweite Liga als B-Film?

So wird das jedenfalls gern gesehen. Von „selbsternannten Experten“, wie Willi Reimann, der Trainer des letztjährigen Bundesliga- Aufsteigers VfL Wolfsburg, moniert hat. „Die Bundesliga neigt zur Selbstüberschätzung“, so Reimann, „in der Spitze der zweiten Liga wird auf gutem Niveau gespielt.“ Einiges spricht dafür, daß Wolfsburgs Coach richtiger liegt, als es alle Chaostheorien zur zweiten Liga glauben machen wollen. Auch wenn die Montagspartie zwischen Freiburg und Gütersloh nicht unbedingt der Beweis war. Schon nach sieben Minuten hatte Freiburgs Keeper Timo Reus Rot gesehen. Nach dem gescheiterten Versuch einer Abseitsstellung stürmte Uysal allein aufs Tor, und Reus griff ihm deutlich vor dem Sechzehn-Meter-Raum den Ball vom Fuß. Den „gruppentaktischen Fehler im Defensivbereich“ (Freiburgs Cotrainer Sarstedt) bezahlte der Sport-Club nicht nur mit dem Platzverweis, sondern auch mit dem Ausbruch völliger Konfusion. Logische Folge: das 0:1 durch Dziwior (20.) nach einer mißglückten Kopfballabwehr von Diarra.

„Nach dem 1:0 hätten wir das Spiel für uns entscheiden müssen“, klagte Güterslohs Coach Linßen nach der Partie über den pfleglichen Umgang seiner Elf mit der Freiburger Verwirrung. Der überraschende Ausgleich (Pavlin, 34.) nach einem der wenigen ansehnlichen Konter der verunsicherten Sport-Club-Kombinierer und ein rüdes Foul mit Rot-Folge des bis dahin überragenden Gütersloher Liberos Tschiedel brachten Freiburg zurück ins Spiel. Der Rest war, was die Trainer anschließend als „sehr verbissen geführte Partie“ (Linßen) respektive als „reines Kampfspiel“ (Finke) klassifizierten – und der glücklich zustande gekommene Siegtreffer für den Sport-Club durch Iashvilli (79.).

Preisfrage: Ist eine Mannschaft, die sich so ins Boxhorn jagen läßt wie der Sport-Club nach dem frühen Platzverweis, noch nicht reif für den Aufstieg? Antwort von Freiburgs Cotrainer Sarstedt: „Quatsch, völliger Quatsch – in die Bundesliga kommst du nie zu früh.“

Zumal Freiburgs Tunesier nach drei Wochen Afrika-Cup jetzt wieder intensiv nicht nur im taktischen Verhalten, sondern auch in der deutschen Sprache unterrichtet werden. „Es ist kein Witz“, erklärte Volker Finke nach dem Spiel, „wir hatten nach dem Platzverweis Schwierigkeiten, Ben Slimane seine veränderte taktische Rolle verständlich zu machen.“

Noch Zweifel? Kaiserslautern Tabellenführer, Hertha Achter, Wolfsburg Elfter – auch die Tabellenplätze der Aufsteiger des vergangenen Jahres beweisen: Die zweite Liga ist besser als ihr Ruf. Auf dem sportlichen Gebiet jedenfalls. Nach der zehnten Trainerentlassung der laufenden Saison klagte Hannes Linßen: „Die Bundesliga ist für Trainer doch Naherholung im Vergleich zur zweiten Liga. Wenn man hier in der Hinrunde einen Kollegen trifft, weiß man meistens schon, den siehst du in der Rückrunde nicht wieder. Darum ist die Begrüßung fast immer gleichzeitig auch Verabschiedung.“