Slowakischer Regierungschef pfeift Diplomaten zurück

■ Mečiar beruft 28 Botschafter ab und nutzt damit einen Tag nach dem Abgang des Präsidenten seine neuen Vollmachten. Auch ein Referendum über die Volkswahl des Staatschefs ist gekippt

Budapest (taz) – Der slowakische Ministerpräsident Vladimir Mečiar nutzte die Gunst der Stunde und zögerte keinen Augenblick lang: Nachdem am Montag die Amtszeit des Staatspräsidenten Michal Kováč ausgelaufen und seine Befugnisse auf die Regierung übergegangen waren, ließ Mečiar gestern 28 Botschafter der Slowakei aus dem Ausland zurückrufen und annullierte außerdem ein für April geplantes Referendum über die Direktwahl des Staatspräsidenten und den Nato-Beitritt des Landes. Damit bewahrheitet sich nun erstmals die Befürchtung, daß Mečiar die neugewonnen Vollmachten des Staatspräsidenten für den Ausbau seines autoritär-nationalistischen Regimes nutzt.

Dem slowakischen Parlament war es in den vergangenen Wochen bei zwei Wahlgängen nicht gelungen, einen Nachfolger für den scheidenden Staatspräsidenten Michal Kováč zu wählen, weil Mečiars regierende Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) im Parlament über genügend Stimmen verfügt, um eine Wahl zu blockieren. Für die Wahl des Staatsoberhaupts sind drei Fünftel der Stimmen notwendig.

Wenn kein Staatsoberhaupt gewählt werden kann, gehen laut slowakischer Verfassung einige wichtige Vollmachten des Staatspräsidenten, wie die Möglichkeit, Verfassungsrichter abzuberufen, auf die Regierung über. Auch beim dritten Wahlgang für das Amt des Staatspräsidenten, der morgen stattfinden wird, gilt es als sicher, daß die Mečiar-Partei die Wahl eines Kandidaten erneut blockieren wird.

Hintergrund der Absetzung von 28 Botschaftern ist ein alter Streit zwischen Mečiar und dem Ex- Staatspräsidenten. Kováč hatte früheren Vorschlägen der Regierung, Botschafter neu zu ernennen, stets seine Zustimmung verweigert. Das Referendum über die Direktwahl des Präsidenten hingegen war im letzten Jahr vom Innenministerium einfach annulliert worden, während das Nato-Referendum ungültig blieb. Das slowakische Verfassungsgericht hatte vor kurzem entschieden, daß die Regierung das Referendum über die Direktwahl des Staatspräsidenten widerrechtlich verboten habe.

Noch während der Zeremonie zur Übergabe der Präsidialvollmachten an die Regierung am Montag hatten mehrere tausend Menschen in Bratislava gegen die undemokratischen Praktiken der Mečiar-Regierung demonstriert. Sie befürchten, daß die für September geplanten Parlamentswahlen nicht korrekt verlaufen werden oder gar nicht erst stattfinden.

Außerdem will Mečiar den Passus über die Sperrklausel im Wahlgesetz dahingehend ändern, daß kleine Parteien künftig weniger Chancen haben, ins Parlament einzuziehen. Auch sollen die Wahlkommissionen in den einzelnen Wahllokalen nicht mehr nach Parteiproporz, sondern nur noch mit Staatsbediensteten, das heißt Mečiar-Leuten, besetzt sein. Keno Verseck