: Nun soll es dem DIW an den Kragen
■ Nach dem Flop mit der Staatsdefizit-Prognose: CDU und CSU erwägen, die Staatsgelder für das ungeliebte Berliner Wirtschaftsinstitut zu streichen. Die Angegriffenen sehen darin "das Ende jeder kritischen D
Berlin (dpa/AFP/taz) – Die Union will dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) wegen dessen Kritik an den Euro- Zahlen staatliche Mittel streichen lassen. Der Sprecher der Unionsfraktion, Walter Bajohr, bestätigte gestern einen Bericht der Berliner Morgenpost. CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble hat es nach Darstellung des Blattes vor der Fraktion als „Skandal“ und „gezielte Sauerei“ bezeichnet, daß das DIW einen Tag vor der Niedersachsen-Wahl das vom Statistischen Bundesamt errechnete Defizitkriterium für den Euro von 2,7 Prozent in Frage gestellt hatte.
Bajohr sagte: „Wenn es zutrifft, daß ein Institut wie das DIW offensichtlich unseriös arbeitet, dann muß die Frage erlaubt sein, ob dafür Forschungsmittel des Bundes zur Verfügung gestellt werden.“ Er wies darauf hin, daß das DIW jährlich aus dem Haushalt von Forschungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) 7,5 Millionen Mark erhalte – etwa die Hälfte des Etats. Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) blies ins gleiche Horn. Die andere Hälfte der Einnahmen des eher SPD-nahen Instituts stammt aus Drittmitteln, etwa für Gutachten.
Das Statistische Bundesamt hatte am vergangenen Freitag mitgeteilt, die deutsche Nettokreditaufnahme habe im vergangenen Jahr bei 2,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit deutlich unter der Obergrenze von 3,0 Prozent für die Einführung des Euro gelegen. Das DIW hatte am Samstag die Zahlen des Bundesamtes als nicht nachvollziehbar bezeichnet und ihnen seine eigenen Berechnungen gegenübergestellt. Am Dienstag mußte es dann anerkennen, daß das Statistische Bundesamt recht hatte.
Gestern wehrte sich das DIW trotzdem gegen die Vorwürfe und wies die Angriffe der Union zurück. DIW-Konjunkturexperte Heiner Flassbeck sagte, der Vorwurf von Unionsfraktionschef Wolfgang Schäuble, das DIW habe gezielt einen Tag vor der niedersächsischen Landtagswahl höhere Defizitzahlen für den Euro verbreitet, sei nicht haltbar. „Es war nichts gezielt daran.“ Flassbeck ging auch nicht davon aus, daß die Bonner Union ihre Drohung wahr machen könnte, die Steuermittel für das Institut zu streichen. Wenn jetzt der Geldhahn zugedreht würde, dann „wäre dies das Ende jeder kritischen Diskussion“, sagte Flassbeck. Dann könnten langfristig nur noch amtliche Zahlen verwendet werden. Die Reaktionen aus der Union erklärte er damit, daß sie nach der Niederlage der CDU in Niedersachsen „in einer aufgeheizten Atmosphäre“ gefallen seien. Es werde im DIW keine personellen Konsequenzen geben. rem
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen