Nachgefragt
: „Schlimmer als Zensur“

■ Interview mit einem iranischen Oppositionellen über den Sendestopp des Offenen Kanals für Film über Hinrichtungen

Erstmals in seiner sechsjährigen Geschichte hat der Offene Kanal, der allen BürgerInnen für Fernsehproduktionen offensteht, eine Sendung abgebrochen (taz 3.3.). Die Szenen des Films „Omid-e-Iran“(Hoffnung des Irans) von einer Hinrichtung durch Steinigung seien zu grausam gewesen, begründete die Sendeleitung die Unterbrechung des Films. Über die Entstehung des Films und seine Hintergründe sprachen wir mit einem iranischen Oppositionellen, der anonym bleiben will.

taz : Wann und wie ist das Filmmaterial aus dem Iran geschmuggelt worden?

Dieser Film wurde Mitte Dezember unter ganz schwierigen Umständen aus dem Iran geschmuggelt. Am 8. Januar 1998 wurde der Film erstmals bei der UNO in Genf in Anwesenheit von Diplomaten und Journalisten gezeigt. Am 23. Januar wurde der Film auch in Bonn gezeigt. Die Journalisten waren entsetzt. Eine Nachrichtenagentur verbreitete eine kurze Nachricht darüber, daß es den Film gibt. Das war alles. Erst als ein deutscher Geschäftsmann im Iran gesteinigt werden sollte, weil er ein Verhältnis mit einer Studentin hatte, wurde man hellhörig. „So soll ein Deutscher sterben“, informierte die Bild-Zeitung ihre Leser am 1. Februar auf Seite eins. Also, erst als es um einen Deutschen ging, reagierte die Presse. Auch in RTL, Sat1 und Euro-News wurden daraufhin einige Szenen gezeigt. Im Iran sterben aber fast täglich Menschen auf diese grausame Weise. Bis Ende Januar wurden sieben Menschen gesteinigt – darunter drei Frauen. Hierzulande erfahren die Menschen nichts davon – deshalb wurde der Film im Offenen Kanal gezeigt.

Auch die UNO hat die Menschenrechtsverletzungen im Iran angeprangert. Trotzdem drängt sich die Frage auf, ob der Film am frühen Abend gezeigt werden mußte. Schließlich sitzen um diese Zeit viele Kinder vor dem Fernsehen.

Vorher wird im Film ein Hinweis darauf gegeben, daß die Bilder authentisch und sehr grausam sind.

Nicht alle Kinder, die um diese Zeit fernsehen, können lesen.

Der Offene Kanal ist nicht gerade für sein Kinderprogramm berühmt. Wir hätten den Film gerne zu einem späteren Zeitpunkt gezeigt, aber wir haben keinen anderen Sendetermin bekommen. Übrigens: In Hannover und in Essen wurde der Film auch am frühen Abend im Offenen Kanal gesendet – in voller Länge.

Der Offene Kanal Bremen argumentiert damit, daß Menschen im Todeskampf gezeigt und ihre Würde verletzt wird.

Das sehe ich anders. Mit dem Abbruch des Films werden nicht die Kinder geschützt, sondern das terroristische Mullah-Regime. Es ist unsere Pflicht, die Menschen über diese Verbrechen zu informieren, und zwar wann und wo immer es geht. Der Offene Kanal hat die Sendung abgebrochen. Das ist nicht nur eine Art der Zensur. Der Offene Kanal hat dem iranischen Terror-Regime und seinen Handlangern in die Hände gespielt. Seit Jahren wird versucht, solche Veröffentlichungen mit Drohungen und Bestechungen zu verhindern. Und in Bremen ist das jetzt gelungen.

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