: Die Instrumente des Tobias Valentin
■ Berliner Zimmer, Teil 8. Eine Besuchsreihe von Falko Hennig
Tobias Valentin Weber:
Ich heiße Tobias Valentin Weber, ich bin 30 und mach was? Ich mach alles. Zur Zeit studier' ich grad. Ich mach' alles, was mit Musik zusammenhängt, speziell mit Musikinstrumenten. Ich wohne hier seit 'nem Dreivierteljahr. Und da haben sich die Instrumente so langsam angesammelt. Die Instrumente sind hier an der Wand und in Kisten überall. Aus allen sieben Ecken quellen Flöten. Das ist meine Studentenbude. Na ja, meine Eltern regen sich schon immer auf, weil daheim sind ungefähr zehnmal soviel. Ich glaub', ich hab ungefähr 50 Instrumente hier, aber das sind auch die schönsten.
Ich habe vorher mal Instrumentenbauer gelernt, Holzblasinstrumente, heißt also: Flöte, Klarinette, Saxophon und so. Richtig in der Werkstatt, mit 8-Stunden-Tag und 40-Stunden-Woche und so. Das hat mir 'ne Weile da gefallen, dann habe ich aufgehört. Das war zu eintönig und irgendwie zu unkreativ. Wenn man in dem Job arbeitet, ist es auch nicht anders als in einer Autowerkstatt oder so. Gelernt hab' ich ganz im Norden und gearbeitet ganz im Süden. Wo ich gearbeitet hab', da haben wir halt um 7 angefangen, bis 4 geschafft, Instrumente repariert von irgendwelchen Musikvereinen und dabei zotige Witze gemacht, halt wie in jeder Werkstatt auch.
Die Instrumente habe ich von überall, manche in Musikgeschäften, da sind sie irgendwo in einer Ecke verstaubt, ganz viele vom Flohmarkt. Es sind zum großen Teil fremde, exotische Instrumente, aber die meisten habe ich nicht von dorther mitgebracht. Ein Teil ist von mir selber gebaut. Das ist eine mongolische pferdeköpfige Geige, die habe ich selber gebaut. Ich wollte eine irgendwo herbekommen, aber das war ein bißchen schwierig. Irgendwann bin ich dann auch in die Mongolei gefahren. Da gab's genug, aber das war mir zu schwer. Das ist eine Fujara mit Verlängerung, wenn ich die runterhole, kriege ich sie da nicht mehr rauf, die ist aus der Slowakei. Die hab' ich in Prag mal gesehen und gekauft.
Ganz in der Ecke ist ein türkisches Saz. Das ist ein Saiteninstrument ohne Saiten, das habe ich mal im Institut dabeigehabt, so als Beispiel. Es macht sich natürlich ganz gut, daß ich die Instrumente, die ich dort studiere oder behandle, auch zum Teil dahab'. Da habe ich so fünf Instrumente aufs Motorrad geladen und bin dorthin gedüst und unterwegs angeeckt, und da war der Hals ab. Und das ist noch nicht ganz wieder heil gemacht.
Die Leier ist nicht echt alt, die ist von mir nachgebaut. Ich hab' mich in Museen rumgetrieben und so, die Form gibt's auf alten Abbildungen. Das ist, glaub' ich, auf einem Gemälde von Georges de La Tour. Darauf spielt man nur mittelalterliche Sachen, weil jede Zeit hat ihre Musik. Andere Musik kann man auch drauf machen, das paßt nicht unbedingt.
Das ist eine Geige, die hat mich auf dem Flohmarkt mal angelacht. Die ist sehr derb. Ich schätz', daß irgendein alter Opa die sich zusammengebastelt hat, um auch noch ein bissel spielen zu können. Ich will mal vermuten, daß die aus Polen kommt. Die hat da so gelegen auf dem Flohmarkt, und da konnte ich nicht widerstehen. Wie bei den hundert anderen Sachen. Nur mal gefragt, wieviel das wohl kosten würde, dann gehandelt, und dann hatt' ich sie. Das mit dem Pferdekopf ist eine Gusle aus Jugoslawien, die hat nur eine Saite. Ich weiß nicht, ob aus Bosnien oder Serbien.
Das dagegen habe ich mal jemand abgekauft, im Museum. In Stuttgart, im Lindenmuseum war 'ne ganz tolle Ausstellung über Lauten. Eigentlich auch das Thema hier, instrumentenkundlich sind die meisten hier Lauten. Da saßen also jede Woche andere Leute drin, und das war so 'n feiner alter Herr, 'n Schwarzer, mit seiner Begleitung, die haben da gesessen und Instrumente gebaut. Und die haben die auch verkauft. Das ist ein indisches, eine Gopiyantra, das hat 'n geilen Klang, da kannst du auch kontinuierliche Töne machen.
Das rechts oben ist ein Mbira, aus Afrika, die sind ziemlich weit verbreitet. Oben ein Schwirrholz, das kennt man doch aus dem Spielzeugladen. Das hängt dann an einer langen Schnur, und das kann man so über sich wirbeln, dann gibt's 'n ganz tiefen Ton. Die meisten Instrumente sind volkstümliche Instrumente, keine klassischen Instrumente. Mehr so Geräusch oder für Kinder. Eine Rassel aus irgendwelchen Klauen oder Hufen, aus Brasilien, haben mir meine Eltern mitgebracht. Ich studiere ja Vergleichende Musikwissenschaft. Das ist ein Terminus, der aus den zwanziger Jahren stammt, als das Fach gegründet wurde. Eigentlich ist es Ethnomusikologie oder Musikethnologie, das heißt beschäftigt sich regional mit bestimmten Kulturen. Ich hoffe, das kann rein, weil wir haben im Moment 'n bißchen Probleme mit der Uni. Die wollen das Fach abwickeln und so, kein Geld. Aber in ganz Deutschland ist das die einzige Institution, wo man das machen kann.
Ich hab mir überlegt, was ich sagen würde, wenn du mich fragen würdest, welches Instrument ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Aber ich glaub', gar keins, ich kann mir ja wieder neue machen. Alles, was ich anfasse, wird irgendwie ein Instrument, hier eine Flöte aus Aluminiumrohr. Das ist eine arabische Flöte, die hat überhaupt keine Anblashilfe, das heißt, die ist nur ein Rohr, dann eine spitze Kante und Löcher drin. Da habe ich einen Musiker nach einem Konzert mal nach der Flöte gefragt, das sieht man in Deutschland eigentlich wenig. Ja, da hat er sie mir geschenkt. Das hieß für mich natürlich ein halbes Jahr Üben, bis ein Ton rauskam. Flöten, da habe ich irgendwie mein Herzblut dran verloren.
Ich spiel mit dem Gedanken, das geregelte Leben aufzugeben und mal im Sommer ohne Wohnung durch Berlin zu ziehen. Natürlich sind die Instrumente ein großes Hindernis. Vor unserm Institut gibt's 'n schönen Park, und ich hab' auch 'nen Schlafsack. Wenn's regnet, es gibt ja immer noch Freunde und 'n Bruder. Man wird schon bequem in der Wohnung, und es sammeln sich immer mehr Sachen an. Man lebt zum Teil nur noch, um die Sachen zu pflegen. Das andere ist irgendwo freier, müßte ich mal wieder probieren, bevor ich alt werde.
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