NS-Prozeß verschoben

■ Gegen 91jährigen litauischen mutmaßlichen Kriegsverbrecher wird erst im Mai verhandelt

Warschau (taz) — Der Kriegsverbrecherprozeß gegen den mutmaßlichen NS-Kollaborateur Aleksandras Lileikis findet nun doch erst im Mai vor einem Gericht in der lituaischen Hauptstadt Vilnius statt. Richter Viktoras Kazys vertagte das Verfahren am ersten Verhandlungen, da der Staatsanwalt als Beweis für die Mordanklage gegen Lileikis nur Kopien von Dokumenten vorweisen konnte. Lileikis wird vorgeworfen, als Chef der litauischen Geheimpolizei in Vilnius eng mit den Einsatzgruppen der SS zusammengearbeitet und Tausende von Juden in den Tod geschickt zu haben. Richter Kazys wies den Staatsanwalt nun an, Originaldokumente mit der Unterschrift Lileikis vorzulegen. Darüber hinaus soll er die vom Verteidiger benannten Entlastungszeugen aufspüren und verhören, unter ihnen eine Jüdin, der Lileikis 1944 angeblich das Leben gerettet hat.

Das Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem wirft den litauischen Behörden bewußte Prozeßverschleppung vor, da sich sein Beginn seit nunmehr zwei Jahren immer wieder verzögerte. In der Zwischenzeit hat der jetzt 91jährige Angeklagte einen Schlaganfall erlitten. Daraufhin änderte das litauische Parlament das Strafgesetzbuch, so daß gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher in Abwesenheit verhandelt wierden kann.

Lileikis beteuert seine Unschuld. Die vorgelegten Dokumente, so beteuert er, seien Fälschungen des russischen Geheimdienstes, der so die litauischen Emigranten in der Welt in Mißkredit bringen wolle. Der frühere Chef der Geheimpolizei war 1944 vor der Roten Armee geflohen und in die USA emigiriert, wo er die Staatsbürgerschaft erwarb. Erst vor zwei Jahren wurde er enttarnt und in sein Heimatland abgeschoben. Gabriele Lesser