Ein Skandal jagt den nächsten

Japans Finanzministerium nach Festnahmen von Beamten zum zweiten Mal innerhalb eines Monats durchsucht. Verdacht auf Vetternwirtschaft und Bestechung  ■ Aus Tokio André Kunz

Über hundert Ermittlungsbeamte haben gestern zum zweiten Mal innerhalb eines Monats Japans Finanzministerium gestürmt, um Dokumente zum jüngsten Bestechungsfall zu konfiszieren. Durchsucht wurden Büros der Wertpapierbehörde und der Wertpapieraufsicht. Mit der Razzia wurde auch Hinweisen nachgegangen, wonach das Ministerium für den Zusammenbruch des Wertpapierhauses Yamaichi mitverantwortlich sei. Am Mittwoch waren drei frühere Yamaichi-Manager verhaftet worden, weil sie Verluste vertuscht hatten.

Am Donnerstag wurden zwei hochrangige Beamte des Ministeriums wegen mutmaßlicher Bestechung festgenommen. Der verhaftete stellvertretende Abteilungsleiter in der Wertpapierabteilung, Takashi Sakakibara, gehörte unter den 80.000 Mitarbeitern des Ministeriums zu den 800 auserwählten „Karrierebeamten“, die für eine steile Laufbahn ausgewählt worden waren. Drei Finanzinstitute sollen ihn bestochen haben, wofür er ihnen die Einführung neuer Finanzprodukte genehmigte. Der 38jährige Sakakibara soll für 30.000 Mark bewirtet worden sein, wie es auch schon bei anderen Beamten üblich war. Sein Komplize, der 51jährige Toshio Miyano, Inspektor der Kommission für Wertpapieraufsicht, begleitete ihn auf seinen „Dienstreisen“ in teure Restaurants und Bordelle.

Verhaftungen und Razzia kommen zu einer Zeit, in der das Vertrauen der Bevölkerung in die Verwaltung auf einen Tiefpunkt gesunken ist. In den vergangenen sechs Wochen sind sechs Spitzenbeamte der Korruption überführt worden. Die Vorwürfe waren so gravierend, daß vor einem Monat Finanzminister Hiroshi Mitsuzuka seinen Hut nehmen mußte und damit die politische Verantwortung übernahm. Noch ist nicht klar, ob nicht auch sein gerade erst eingesetzter Nachfolger Hikaru Matsunaga schon bald seinen Sessel räumen muß, um für diesen Skandal geradezustehen.

Was im Finanzministerium von Tokio gegenwärtig abläuft, ist in der Tat peinlich. Nicht nur der Filz zwischen Banken und Beamten ärgert die Menschen, sondern auch die falsche Wirtschafts- und Finanzpolitik, die dem Land von genau diesem Ministerium verschrieben wird. So mußte die Bevölkerung erfahren, daß das Ministerium Yamaichi geraten hatte, 3,7 Milliarden Mark Schulden auf illegale Weise zu verschleiern. Genau dasselbe Ministerium hat aber kürzlich durchgeboxt, daß mit Steuergeldern in Höhe von 430 Milliarden Mark den skandalgeplagten Banken geholfen wird, ihre Bilanzen aufzubessern.

Doch die regierende Liberal- Demokratische Partei von Premier Ryutaro Hashimoto hat nichts zu befürchten. Seitdem die Opposition in zwölf kleine Parteien aufgesplittert ist, kann die langjährige Regierungspartei wieder nach Belieben schalten und walten. Die Skandale im Finanzministerium haben bislang nicht zu öffentlichem Protest geführt. Vielmehr ziehen sich immer mehr Menschen resigniert in ihre eigenen vier Wände zurück und kaufen feuersichere Geldschränke, um ihr Erspartes künftig zu Hause zu horten.