Die Revolte, ein Mißverständnis?

Orte der Revolution (Folge 4): Die Volksversammlung am 18. März 1848 vor dem Schloß, auf der der König zu spät und halbherzig Reformen anbot, endete unter Säbelhieben  ■ Von Jürgen Karwelat

Am Samstag, dem 18. März 1848, versammelten sich auf dem Platz vor dem Stadtschloß etwa zehntausend Menschen. Es hatte sich herumgesprochen, daß der König bereit war, auf die Forderungen des Volkes einzugehen. Die Unruhen der Vortage hatten Wirkungen gezeigt. Der König erschien um 13.30 Uhr und versuchte eine Ansprache. Er konnte sich aber akustisch nicht zu Gehör bringen.

Auf dem Platz waren Flugblätter verteilt worden, auf denen die „Gewährungen“ verkündet wurden. Der König kam allerdings mit seinen Konzessionen zu spät und ging nicht weit genug. In dichtgedrängten Gruppen wurden die Texte verlesen. Der König verkündete ein neues Pressegesetz, die Abschaffung der Zensur und garantierte grundsätzlich Meinungsfreiheit. Außerdem wurden die Einberufung des Preußischen Landtags und Schritte zur deutschen Einigung versprochen.

Während ein Teil der Anwesenden die Neuigkeiten freudig begrüßte und den König „hochleben“ ließ, war die Stimmung am Rande des Platzes, wo die ärmeren Schichten standen, eine ganz andere. Diese Leute meinten, daß die versprochenen Reformen ihnen nichts nutzten.

Die Menge vor dem Schloß wuchs weiter an und forderte, als sie die Truppen im Schloßhof und in den Seitenstraßen entdeckte, deren Rückzug. „Die Soldaten fort, Militär zurück!“ schallte es über den Platz. Statt die Soldaten zurückzubeordern, gab schließlich Generalleutnant von Prittwitz den Befehl, den Schloßplatz „säubern“ zu lassen.

Eine Schwadron Dragoner hieb mit blankem Säbel auf die dichtgedrängten Massen ein. Während dieser Aktionen lösten sich an anderer Stelle des Platzes zwei Schüsse. Er wurde nie geklärt, ob sie unbeabsichtigt oder bewußt abgegeben wurden. Sie waren jedenfalls Signal für den tausendfachen Ruf „Verrat! Man mordet das Volk! Zu den Waffen!“. Das Volk floh vom Schloßplatz. In kürzester Zeit wurden an Dutzenden Stellen der Stadt Barrikaden errichtet.

Ein „Mißverständnis“ soll zu den Ereignissen geführt haben. War die Revolution vom März 1848 etwa ein Zufall? Karl Gutzkow (1811–1878) schrieb dazu: „Ohne Zweifel hatte ein Mißverständnis stattgefunden. Aber die Menschen waren seit Montag gereizt, sie wollten sich nichts mehr aus-, nichts mehr einreden lassen. Was war ihnen Arnim? Was sollte ihnen die Preßfreiheit und die künftige konstitutionelle Verfassung? Ihr Herz war voll Kummer. Alle verhaltenen langjährigen Empfindungen der Unterdrückung kamen zum Ausbruch. Sie hörten von Freiheit, von gestürzten Königen, fallenden Ministern, und die alte bekannte Brutalität der Polizei, der Gendarmen, die Arroganz der Offiziere, die blind draufzufahrende Roheit der in Uniformen gesteckten Bauernjungen hörte nicht auf. (...) Wie ich Gesellen, Kleinbürger, Frauen so rennen, mit zornglühenden Mienen gen Himmel um Rache rufen höre, wie ich sahe, wie sich den Menschen das Weiße im Auge verkehrte und ihr Geschrei ,Waffen! Waffen! Man verrät uns!‘, zwar dem Wortlaute nach eine Reminiszenz der neuesten Lektüre aus der ,Vossischen Zeitung‘ war, aber die Vorstellung, die man damit verband, recht die ganze sich endlich lösende Last des polizeilichen Regiments von 1815, da fühlte ich, wenn hier ein äußeres Mißverständnis stattfand, ein inneres war es nicht.“