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Zu hohe Kosten und zu geringe Einnahmen

■ BVG arbeitet mit geringerer Produktivität als andere Verkehrsbetriebe, ermitteln DIW-Forscher. Verantwortlich sei dafür vor allem der Senat

Um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Berliner Verkehrsbetriebe BVG ist es im Vergleich zu anderen Nahverkehrsunternehmen bundesdeutscher Großstädte schlecht bestellt. Zu diesem Ergebnis kommt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einem bislang unveröffentlichten Gutachten für die Gewerkschaft ÖTV. Die „Produktivität der BVG“ sei „unterdurchschnittlich“, urteilen die Forscher.

Das DIW nennt drastische Beispiele: Der landeseigene Betrieb nehme pro Beschäftigten nur 45.500 Mark jährlich ein. In München und Stuttgart sind es dagegen über 100.000 Mark. Ebenso würden je Arbeitnehmer statistisch lediglich 43.000 Fahrgäste pro Jahr transportiert – „ein Viertel weniger als im Durchschnitt der anderen bundesdeutschen Unternehmen“, so das DIW. Bei den hausinternen Kosten für den Linienverkehr liegt die BVG dagegen hinter Nürnberg auf Platz zwei. Die Zahlen basieren auf dem Jahr 1995.

Die ÖTV hat das Gutachten in Auftrag gegeben, um sich Unterstützung gegen die geplante Teilprivatisierung zu holen, mit der der BVG-Vorstand Personalkosten sparen und den Betrieb wettbewerbsfähig machen will. Eine wesentliche Aussage des Berichtes freut die ÖTV: Die mangelnde Produktivität „liegt nicht an überdurchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen“ der Beschäftigten, sagen die Forscher. Die Personalausgaben pro Kopf lägen mit denen in Hannover und Hamburg gleichauf und niedriger als in Stuttgart.

Über die Zahl der rund 17.000 BVG-Beschäftigten ist damit freilich nichts gesagt. An diesem Punkt legt das DIW den Auftraggebern ein Kuckucksei ins Nest. Die BVG „macht vieles selbst“, was andere Verkehrsunternehmen durch Privatfirmen erledigen ließen, meint DIW-Forscher Hartmut Kuhfeld. Die ausgelagerte Reparatur von Bussen und Bahnen sei zumeist kostengünstiger als die große Produktionstiefe im Staatsbetrieb. Das DIW schreibt außerdem, daß die BVG ihre wenigen Fremdleistungen heute zu horrenden Preisen einkaufe. Die Auslagerung von Beschäftigten und Dienstleistungen betrachtet die ÖTV mit großer Skepsis, weil sie die bisherige Lohnhöhe gefährde.

Die wesentlichen Ursachen der geringen Produktivität seien in den politischen Rahmenbedigungen zu suchen, nicht in der BVG selbst, legt das Gutachten nahe. Kuhfeld: „Die Ersatzinvestitionen bei der U-Bahn schlagen kräftig zu Buche.“ Denn anders als in München, Köln oder Hamburg müsse das Unternehmen ein fast 100 Jahre altes Gleisnetz instandhalten. Im Gegensatz zu Hamburg würden die daraus resultierenden Kosten hier der BVG aufgebürdet.

Als weitere politische Vorgaben des Senats nennt DIW-Gutachter Kuhfeld die betriebswirtschaftlich teilweise ungünstigen Taktzeiten. „In anderen Städten wird nachts im 30-Minuten-Takt gefahren, hier sind es 20 Minuten.“ Geld kosten auch die mitunter schlecht ausgelasteten Nachtbusse und andere wenig frequentierte Linien.

Auch für die geringen Einnahmen durch den Verkauf von Fahrscheinen macht das DIW letztlich die Vorgaben des Senats verantwortlich. Eine Fahrt bringe der BVG statistisch nur 1,06 Mark (Stuttgart 1,78 Mark, Köln 1,37 Mark), weil Hin- und Rückfahrt mit einer Karte gestattet sei und außerdem verschiedene Ermäßigungen die Einkünfte drückten. Hier schlage auch die hohe Zahl der Arbeitslosen zu Buche, die billiger fahren dürften, so DIW-Forscher Kuhfeld.

Konkrete Vorschläge für die zukünftige Struktur des Unternehmens machen die Forscher nicht. Sie weisen jedoch darauf hin, „daß alle Anstrengungen zur Erhöhung der Produktivität und zur Senkung der Kosten nicht zu einer Verbesserung der Ertragslage führen, wenn die Fahrgastzahlen noch weiter zurückgehen“. Während das DIW dafür unter anderem die Konkurrenz der S-Bahn verantwortlich macht, sieht der bündnisgrüne Verkehrsexperte Michael Cramer die Ursache vor allem in den zahlreichen Preiserhöhungen, die die Fahrgäste davontrieben. Hannes Koch

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