Öl und Frauenrechte

■ EU-Kommissarin Bonino sammelt Blumen für die Frauen von Kabul

Die vielen Afghaninnen im Exil werden Emma Bonino dankbar sein. Mit ihrer Kampagne „Eine Blume für die Frauen von Kabul“ zum gestrigen Internationalen Frauentag hat es die EU-Kommissarin geschafft, auf die Lage ihrer Geschlechtsgenossinnen im von den islamistischen Taliban beherrschten Großteil Afghanistans aufmerksam zu machen. Für ihren Aufruf konnte die EU-Kommissarin für Humanitäre Fragen und Frauenrechtlerin 49 prominente Mitunterzeichnerinnen gewinnen: sechs Nobelpreisträgerinnen, vier weitere EU-Kommissarinnen, Ministerinnen... . Als Bonino den Appell am 3. Februar in Brüssel startete, berichtete eindrucksvoll an ihrer Seite eine afghanische Ärztin von den frauenfeindlichen Untaten der Taliban. Zur Wahrung ihrer Anonymität war sie verschleiert und funktionierte so deren rigide Bekleidungsvorschriften zur politischen Waffe um.

Bevor Bonino so weit ging, hatte sie ein einschneidendes Erlebnis. Bei einem Besuch in Afghanistan im vorigen September war sie selbst mehrere Stunden von den Taliban festgehalten worden, nachdem Journalisten in ihrer Begleitung Frauen gefilmt hatten. So wichtig die EU-Initiative ist, haften ihr doch zwei wesentliche Makel an. Zum einen verdrängt die Konzentration auf die Taliban, daß Frauenrechte auch von ihren Vorgängern und Gegnern massiv verletzt wurden und werden. Die in der Anti-Taliban-Allianz zusammengeschlossenen früheren Mudschaheddin präsentieren sich heute als Verteidiger der Rechte der Frauen, obwohl deren Verdrängung aus dem Arbeitsprozeß schon unter ihrer Herrschaft begann. Zum zweiten werden sich die Taliban von den gestrigen europaweiten Aktionen – von Workshops bis zum Steigenlassen von Luftballons – kaum beeindrucken lassen.

Mehr Wirkung könnte eine andere Fraueninitiative in Sachen Afghanistan zeigen. In den USA machen sich bedeutende Frauenorganisationen wie die Feminist Majority und die Women's Environment and Development Organization dagegen stark, daß Ölgesellschaften mit politischer Rückendeckung von Teilen der Clinton-Administration mit den Taliban beim Pipelinebau kooperieren – sie sogar finanziell fördern. Die Frauenorganisationen drohen den regierenden Demokraten, ihnen mit den Frauen eine ihrer wichtigsten Wählergruppen abspenstig zu machen. Das hätte Folgen: Ende des Jahres stehen Kongreß-Teilwahlen an. Und ohne die Stimmen der organisierten US-Frauen hat auch Vizepräsident Al Gore keine Chance, Bill Clinton im Jahr 2001 in das höchste Amt im Staat nachzufolgen. Die Brisanz des Themas Frauen in Afghanistan haben seine innenpolitischen Widersacher längst erkannt: Einflußreiche Republikaner haben sich der Afghanistan-Kampagne der US-Frauenverbände angeschlossen. Thomas Ruttig