Anfragen bis nach Indien

■ Das Tafelsilber BEB könnte als Gesamtpaket weggehen

Dieter Bietendübel ist „stinkesauer“. Aus dem Radio mußte der Personalratschef der Bremer Ent-sorgungsbetriebe(BEB) erfahren, daß am heutigen Dienstag der Senat ruckzuck über den Verkauf des Bremer Eigenbetriebes „Abwasser“entscheiden will. Genauer: 74,9 Prozent des Betriebs für einen geschätzten Verkaufspreis von 500 Millionen Mark. Geplant war das schon lange. „Der Zeitplan aber ist neu“, bestätigt Holger Bruns, Sprecher von Bremens Umweltsenatorin Tine Wischer(SPD).

Onno Dannenberg von der ÖTV sieht die Gründe für die Eile in der Hoffnung auf einen höheren Verkaufserlös: „Das Abwasser soll jetzt mit dem Abfall als Gesamtpaket weggehen“. Als Interessent steht das deutsch-französische Unternehmen Eurawasser in den Startlöchern. Aber auch die Bremer Stadtwerke im Verbund mit Bremer Mittelstandsunternehmen (Neelsen) und überregionalen Energieversorgern: „Selbstverständlich ist eine Paketlösung für uns attraktiver“, so Stadtwerke-Sprecher Andreas Brunner.

Der Abwasser-Komplex gilt als Schmankerl im Gesamtpaket BEB. Das 2300-Kilometer-Netz wurde in den letzten Jahren für mehrere hundert Millionen Mark erneuert, der Ausbau der Kläranlage Seehausen ist noch kein Jahr alt. Bei den BEB schwärmt man von weltweiten Angebotsanfragen „bis nach Indien“, mit denen der Betrieb und seine 80 Ingenieure überhäuft würden.

Sauer ist Personalchef Bieten-dübel über die plötzliche Eile der Senatorin, Angst um die Arbeitsplätze hat er nicht: „Die 600 Mitarbeiter im Abwasser-Bereich haben alle seit April letzten Jahres Überleittarifverträge.“Betriebsbedingte Kündigungen gäbe es da auch bei einer fast 75prozentigen Privatisierung nicht: „Bis ins Rentenalter.“Um ihre Arbeitsplätze müßten hingegen die Mitarbeiter der neuen Eigentümer fürchten, so Bietendübel. Und zwar vor allem, wenn sie aus Bremer Mittelstandsunternehmen kommen. Diese möglichen „Synergieeffekte“erkennt Stadtwerkesprecher Brunner als Motiv an.

Auch, daß die Abwasser-Gebühren nach einem Verkauf steigen, hält man bei der BEB für ausgemacht. Fraglich scheint hingegen, wie hoch der Erlös für die Stadt sein wird. Das schnelle Geld könne schnell aufgezehrt sein, befürchtet ÖTV-Mann Dannenberg. Alles, was den Buchwert des Bremer Eigenbetriebs übersteigt, muß nämlich an die Bremer Bevölkerung ausgeschüttet werden, die mit ihren Gebühren für die gute Ausstattung der Abwasserbeseitigung zahlt.

ritz