Dilettantischer Barrikadenbau

Orte der Revolution (Folge 5): Während der Revolution von 1848 wurden über hundert Barrikaden gebaut. Den Kämpfern fehlten Waffen und Erfahrung im Barrikadenbau  ■ Von Jürgen Karwelat

Es gibt Leute, die haben sich die Mühe gemacht, einen Plan zu erstellen, wo am 18. März 1848 in Berlin Barrikaden errichtet worden waren. Angeblich waren es über 100. Besonders gut „verbarrikadiert“ waren Taubenstraße, Friedrichstraße und Jägerstraße.

Hier verteidigte Rudolf Virchow, der berühmteste deutsche Arzt des 19. Jahrhunderts, die Barrikade. Er hatte allerdings Probleme mit der Bewaffnung. Am Abend des 18. März schrieb er an seinen Vater: „Ich habe nur einige Barrikaden bauen helfen, dann aber, da ich nur ein Pistol bekommen hatte, nicht wesentlich mehr nützen können.“

Einige Ecken weiter stand ein anderer später berühmter Berliner auf der Barrikade. Theodor Fontane, nach eigenen Worten „Apotheker Ersther Klasse“, verteidigte als 29jähriger die Barrikade am „Königstädtischen Theater“, heute Gendarmenmarkt.

Die Kämpfer waren nach seiner Beschreibung „ein Arbeiterhaufen, lauter ordentliche Leute, nur um sie herum etliche verdächtige Gestalten“. Fontanes Waffen waren ein Karabiner mit Bajonett und Lederriemen, alles aus dem Fundus des gestürmten Theaters. Der Waffe fehlten allerdings die Kugeln. Dazu sagte der Dichter: „Kleinlaut zog ich mich zurück und ging auf mein Zimmer; Berufspflichten gab es nicht, man konnte tun, was man wollte.“

In seinem Aufruf „An meine lieben Berliner“ hat König Friedrich Wilhelm IV. in der Nacht des 18. auf den 19. März versucht, das Volk zu besänftigen, erreichte aber das Gegenteil. Er schob die Unruhen auswärtigen Krawallmachern in die Schuhe. „Eine Rotte von Bösewichtern, meist aus Fremden bestehend“ soll es gewesen sein. Die Berliner wußten es besser. Es waren keine Polen oder Franzosen.

Adolf Streckfuß schrieb dazu: „Wer am 18. März mit ruhig prüfendem Blicke die barrikadenbauenden Arbeiter beobachtet hat, muß bezeugen, daß nirgends solche französischen Emissäre gesehen worden sind. Der beste Beweis dafür aber, daß die Barrikaden von ganz Unkundigen gebaut wurden, liegt darin, daß man sie überall unmittelbar an den Straßenecken erbaute und dadurch den Verteidigern die Flucht nach der Erstürmung der Barrikaden unmöglich machte. Wären die Berliner im Barrikadenbau geübt gewesen oder hätten sie eine sachkundige Leitung gehabt, so würden sie jene Schanzen etwas zurück gebaut haben, damit das angreifende Militär im Rücken aus den Eckhäusern hätte beschossen werden können. Gerade dieser Umstand, die völlige Planlosigkeit des Baues, beweist am besten die Falschheit der später erfundenen Gerüchte.“