■ Bundeswehr: Das Gelöbnis in Berlin kommt, das Datum wechselt
: Taktische Frontbegradigung

Nicht mehr am symbolträchtigen 13. August, sondern am unauffälligen 10. Juni will die Bundeswehr nun ein öffentliches Gelöbnis vor dem Roten Rathaus in Berlin abhalten. Das ist kein Rückzieher des Bundesverteidigungsministers Rühe, sondern ganz banal eine Terminänderung zur taktischen Frontbegradigung. Im Visier hat Rühe immer noch, die wehrhafte Demokratie im Zentrum der Bundeshauptstadt zu präsentieren. An seiner Seite hat Verteidigungsminister Rühe dabei auch den Berliner SPD-Fraktionschef Klaus Böger, der als Reserveoffizier nachdrücklich für öffentliche Gelöbnisse eintritt. Nur eben nicht am 13. August. Das Datum nämlich steht nicht für den wehrhaft erfüllten Auftrag der Bundeswehr. Er markiert vielmehr die Ohnmacht der eingemauerten DDR-Bevölkerung als auch der Bundesregierung, die damals hilflos und entmündigt dem Aufmarsch der sowjetischen und amerikanischen Panzer zuschauen durfte. Für ehemalige DDR-Bürger war dieses Datum deshalb nicht akzeptabel. Nichts anderes hat Rühe mit der Terminverlegung akzeptiert.

An der strategischen Zielsetzung, im Wahljahr diese öffentlichen Gelöbnisse im Konzept eines Lagerwahlkampfes zu instrumentalisieren, hat sich dagegen nichts geändert. Nichts paßt der CDU mehr ins Konzept als die absehbaren Proteste gegen die fragwürdige Veranstaltung. Das Gelöbnis wird derart zum Scheidewasser, an dem sich die wahren Demokraten erweisen sollen. Genüßlich wird im Wahlsommer jedes Protestflugblatt einer Berliner Juso- Gruppe den Sozialdemokraten angekreidet werden, kann man sich bereits jetzt ausmalen.

Doch der Bundesverteidigungsminister verfolgt weitergehende Ziele. Am künftigen Sitz der Bundesregierung geht es um die Einnahme des bis zum Mauerfall entmilitarisierten West-Berlins. Seit Jahren bemüht sich Rühe, die Anwesenheit der Bundeswehr im Stadtbild zum Normalfall zu machen. Die Präsenz der Uniformen auf jeder öffentlichen Veranstaltung und der Aufbau eines Luftwaffenmuseums gehören in der Hauptstadt der Wehrdienstverweigerung ebenso zum Konzept wie die öffentlichen Gelöbnisse. Dazu paßt, daß zwei Wochen nach dem Gelöbnis ein Großer Zapfenstreich der Bundeswehr am Gedenktag für das Ende der Luftbrücke stattfinden soll – das hat es bislang nur einmal anläßlich der Verabschiedung der Alliierten im April 1994 gegeben. Für die Bundeswehr ist das Gelöbnis am 10. Juni deshalb auch eine Nagelprobe, wie weit die Eroberung Berlins bereits gelungen ist. Gerd Nowakowski