Sexpuppe im Geschlechterkampf

■ Das tägliche Leben: Ein Marguerite-Duras-Abend von Carolin Mylord

Eine weiße Stoffbahn fließt durch den Bühnenraum, der die glanzlose Empfangshalle eines alten Hotels darstellt. Sieben Menschen bewegen sich darin, tanzen und turnen herum, sie singen, erzählen, schreien, klagen und sind witzig. Nur ein Wesen bewegt sich nicht: Marguerite Duras ist eine leb-lose Puppe. In Das tägliche Leben, der dritten Regiearbeit der Berliner Schauspielerin Caroline Mylord, steht die französische Schriftstellerin im Mittelpunkt. Nach der Premiere im vergangenen Herbst im Prater der Berliner Volksbühne, zeigt jetzt Kampnagel das Stück, das als Gemeinschaftsproduktion beider Häuser entstanden ist.

Marguerite Duras (1914-1996), wichtige Vertreterin des Nouveau roman, Feministin und Marxistin – Mylord bewundert diese Frau, doch sie verherrlicht sie nicht. Sie will vor allem Duras' Innenwelt erschließen, will Annäherung ermöglichen. Dieser Theaterabend ist auch für Menschen gedacht, die weder den Film Hiroshima, mon amour (1959) gesehen haben, zu dem Duras des Drehbuch schrieb, noch ihren Bestseller-Roman Der Liebhaber (1984) kennen. Mylord gestaltet eineinhalb Stunden Theater mit unterhaltsamen und anregenden Texten und Taten, zusammengebaut aus autobiographischen Notizen der Schriftstellerin und aus Szenen über sie – was auch verstehen kann, wer den Namen Duras zum ersten Mal hört. Auf Pathos folgt deshalb Spaß im Täglichen Leben, und manchmal geht das auch zusammen: etwa wenn eine Sexpuppe samt Staubsauger über die Bühne geschleppt wird. Wichtige Themen sind der Kampf der Geschlechter, der Alkohol und andere Formen der Selbstzerstörung – Duras war suchtkrank und litt unter der Macht der Geschlechtlichkeit. Im Stück sind die vier Männer Macho-Witzblattfiguren.

Von Annekathrin Bürger, die die lebende Duras darstellt, schrieb der Berliner Kurier, daß sie Das tägliche Leben zu einem reinen Genuß“mache. Ein Autor der Berliner Morgenpost bemängelte hingegen an der Inszenierung, daß man zuwenig Biografisches über Marguerite Duras an diesem Abend erfahre, auch ihr Kampf in der Résistance bleibe unerwähnt. Doch Mylord will zeigen, was in dieser Frau vor sich ging und nicht, welche äußeren Umstände Anlaß dazu gaben.

Nele-Marie Brüdgam

Donnerstag, 12. bis Sonntag, 15. März, 20 Uhr, Kampnagel k2