: Ein Handwerksbetrieb von Welt
Betriebsausgliederungen sollen bei Siemens für Lohneinbußen sorgen ■ Von Karin Flothmann
„Das ist pures Lohndumping!“Jutta Blankau von der Bezirksleitung der Hamburger IG Metall kann nur den Kopf schütteln, wenn sie an die bisherigen Angebote der Siemens AG denkt. Und die Betriebsräte der norddeutschen Zweigniederlassungen von Siemens, die sich gestern in Lüneburg trafen, stimmten in ihren Protest ein: „Siemens ist kein Handwerksbetrieb, sondern einer der größten Industriekonzerne der Welt!“
Anlaß für diese Empörung sind die Pläne der Konzernleitung, die Bereiche Service, Wartung und Montage aus dem Konzern auszugliedern, also etwa in eine „Siemens Gebäudetechnik GmbH“umzuwandeln. Rund 400 Ingenieure, Facharbeiter und Sachbearbeiter sind von diesen Plänen auch in der Hamburger Zweigniederlassung an der Kurt-Schumacher-Allee betroffen. Am 1. April soll hier die Ausgliederung bestimmter Geschäftsbereiche beginnen. Folgen sollen später im Jahr weitere 450 Beschäftigte.
Denn die Bereiche, in denen sie arbeiten, so stellt Unternehmenssprecher Thomas Weber aus München klar, „schreiben dreistellige Millionenverluste.“Konkurrenzunternehmen, die ebenfalls die Montage von Kommunikationssystemen oder deren Wartung anbieten, sind billiger. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muß also gespart werden. Deshalb, so schwebt es der Konzernleitung vor, müssen 20 Prozent der Personalkosten eingespart werden.
Realisiert werden soll dies durch einen neuen Tarifvertrag. Und da die Konkurrenz am ehesten aus mittelständisch-handwerklichen Unternehmen droht, ist es der Arbeitgeberseite nur recht und billig, den ausgegliederten Beschäftigten den Tarifvertrag des bayerischen Elektrohandwerks anzubieten. Der wiederum sieht gegenüber der heutigen Regelung für Siemens-Beschäftigte deutliche Lohneinbußen vor. Ein Facharbeiter würde demnach nicht mehr 4621 Mark, sondern nur noch 3803 Mark verdienen. Die Industriekauffrau käme auf 3802 Mark statt wie bisher 4383 Mark.
Außerdem sieht der bayerische Tarif eine 37- statt einer 35-Stundenwoche vor. Einbußen auch bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, hier zahlt Siemens noch 100 Prozent, im bayerischen Elektrohandwerk werden Kranken nur noch 80 Prozent des Lohns gezahlt. Weitere Abstriche gibt es auch bei Überstunden-, Sonn- und Feiertagszuschlägen. Als Ausgleich dafür bietet Siemens „Leistungskomponenten“, laut Weber heißt das: „Wo mehr geleistet wird, wird auch mehr gezahlt.“
Doch das, so Blankau, „macht die Gewerkschaft nicht mit.“Und auch die Siemens-Betriebsräte wollen nicht mitziehen. Sie kündigten gestern an, daß es am kommenden Montag, einen Tag vor der nächsten Verhandlungsrunde zwischen Siemens und der IG Metall, zu „ersten bundesweiten Aktionstagen“kommen werde. In Hamburg ist eine Betriebsversammlung geplant.
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