What's hot, what's not
: Das literarische Barett

■ Der Weg vom Buch zum Film: Geschmack in und um Hollywood

Der Kriminalschriftsteller Elmore Leonard hatte, als er „Jackie Brown“ schrieb, female trouble und eine weiße Stewardeß im Sinn. Nun hatte der Mann aber die Ehre, sich als Lieblingsautor eines jungen, häßlichen und als wild geltenden Regisseurs wiederzufinden. Quentin Tarantino beschloß, daß Jackie Brown ein schwarzer Charakter sei, eine Frau in den vielversprechenden Vierzigern, die sich tatkräftig um ihren Ruhestand sorgt, desweiteren aber auch modern, ohne sich anzubiedern. Pam Grier tut es als Jackie Brown; ihr Gegenspieler Samuel L. Jackson tut es als Mörder: Sie tragen eine hippe Kangool-Kappe. Der Zuschauer erblickt das literarische Barett, und es schwebt über glatten Gesichtern.

„Weißt du, was sie in Hollywood über einen Schriftsteller sagen, der sich ein Mitspracherecht bei der Verfilmung seines Buches ausbittet? Es sei wie mit einer Nutte, die herumsteht und nach dem Geschäft noch Frühstück erwartet.“ Diese harschen Worte entfleuchten John Berendt, dem Autor von „Midnight in the Garden of God and Evil“. Berendt muß es wissen, wurde doch sein Werk gerade von Clint Eastwood verfilmt. Mit einer der weiblichen Hauptrollen, der der Mandy Nichols, betraute Eastwood seine Tochter Alison Eastwood, die eine „atemberaubende, entzückende, dünne – einfach sooo hübsche Person“ sei, wie Berendt nicht umhin konnte zu schwärmen. Dennoch muß der Künstler gestutzt haben: SEINE Mandy Nichols ist eine übergewichtige, mittelalte „Beautiful Las Vegas Lady“ mit Big hair und einem Haufen Make-up. Nennen wir das Ganze ein cineastisches Make-over. Fette, faltige, besch...eiden gekleidete Charaktere werden zu makellosen Geschöpfen, da sollte es leicht fallen, sich romantisch zu öffnen.

Sie war seit dem Anbeginn Hollywoods da, doch derart radikal auf die Spitze getrieben, repräsentiert die Kosmetologie der Literatur die bildergewordene Seite eines Trends, der amerikanische Soziologen seit Monaten schwer beschäftigt. Noch nie wurden so viele Peelings und dermatologische Tiefenreiniger verkauft wie in den letzten drei Jahren; noch nie war „das natürliche Make-up“ so beliebt. Leser, Ihre Autorin begab sich im Dienst der Recherche in den Selbsttest: Ungeschminkt, aber irgendwie doch gesünder aussehen für nur 300 Dollar! Noch nie war es also für Werbestrategen so wichtig, daß Haut und Wäsche den Eindruck porentiefer Sauberkeit vermitteln, von Frische und Unverbrauchtheit. Schicht um Schicht wird weggepeelt, weggelasert, an der Salatbar abgenommen. Schicht um Schicht wird Zeit abgetragen von Objekten, von Körpern, Strukturen oder Stoffen, die sie sichtbar machen könnten. Hollywood hatte nie ein Gedächtnis und möchte sich auch keines zulegen. Sichtbare Zeit ist Versagen. Die Porentiefe hält als neurotisches Symbol ewiger Erneuerung und Ehrlichkeit her. Am Ende bleibt – im doppelten Sinn – reine Oberfläche im Kino.

Liebe kluge taz-Leser, sehen Sie sich „Große Erwartungen“ an, und Sie wissen sofort, wovon die Rede ist.

Charles Dickens hatte sich Estella „sehr stolz, sehr hübsch, sehr kränkend“ gedacht; verendet ist seine Vorgabe in Gwyneth Paltrows Ich-bin-trotz-allem- ein-süßer-Käfer-Grinsen. Mehr als zwölf Literaturverfilmungen laufen derzeit schon in den oder gelangen demnächst in die amerikanischen Kinos. Uma Thurman, eine der am meisten überbewerteten Schauspielerinnen (man denke an „The Truth about Cats & Dogs“), wird bald die MUTTER von Claire Danes, 19, in der Verfilmung von Hugos „Die Elenden“ spielen. Man stelle sich das vor: Ist die Frau eigentlich schon 30? Ihr Teint jedenfalls ist porentief rein. Anke Westphal