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Indiens Hindu-Partei mit Regierungsbildung beauftragt

■ Der gemäßigte Fraktionsvorsitzende der BJP, Atal Behari Vajpayee, gilt als der richtige Mann in der falschen Partei. Er hat dafür gesorgt, daß seine Partei jetzt mehrheitsfähig wurde

Delhi (taz) – Atal Behari Vajpayee ist fast am Ziel. Indiens Präsident Kocheril Raman Narayanan hat den Fraktionsvorsitzenden der nationalistischen Hindu-Partei Bharatija Janata Party (BJP) mit der Regierungsbildung beauftragt. Die BJP und ihre Verbündeten haben im Parlament die Mehrheit, sind aber auf weitere Koalitionspartner angewiesen. Nach einem Treffen zwischen Narayanan und Vajpayee am Dienstag muß letzterer nun nachlegen: Der Präsident möchte die Zusagen der bisherigen Koalitionspartner schriftlich haben. Wenn alles glattgeht, kann Vajpayee in einigen Tagen als neuer Ministerpräsident Indiens vereidigt werden.

Von Vajpayee heißt es, er sei der richtige Mann für Indien – aber gehöre leider der falschen Partei an. Ist Vajpayee für die BJP, die mit ihrem antimuslimischen Kreuzzug seit fünfzehn Jahren versucht, die Hindu-Mehrheit hinter sich zu scharen, die tolerante „Maske“, hinter der sie ihr wahres Gesicht verstecken kann? Die Masken-Metapher hatte im Wahlkampf für Aufregung gesorgt. Sie stammte ausgerechnet von einem Generalsekretär der Partei und bestätigte den Verdacht der Liberalen, die einen Graben zwischen Vajpayee und dem Parteivorsitzenden L.K. Advani vermuteten. Während dieser die unerbittliche Hindu-Linie der „Nationalen Freiwilligen-Organisation“ RSS vertritt, kann Vajpayee mit deren intoleranter Ideologie wenig anfangen.

Der 71jährige Vajpayee schlug sich bereits im Kampf gegen die Engländer auf die Seite jener, die vor der Unabhängigkeit eine Renaissance der Hindus anstrebten. Der Feind war zuerst der Muslim und dann der Kolonialherr. Vajpayee gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Jan Sangh, eines Vorläufers der BJP. Doch während Leute wie Advani als RSS-Kader im Untergrund blieben – die RSS war lange Zeit verboten –, wurde Vajpayee als Abgeordneter zum Politiker geschliffen, der sich mit dem Gegner auf Kompromisse zu verständigen lernte und auch von seinen Gegnern geachtet wird.

Das Parlament wurde Vajpayees eigentliche politische Heimat und der Ort, wo er sein Talent als Mann des Worts ausleben konnte. Er begann seine berufliche Karriere als Journalist, er hat Gedichte publiziert, und im Parlament gehören seine mit Volkssprüchen gespickten Reden zu den wenigen, die nicht durch Zwischenrufe unterbrochen werden.

So gekonnt Vajpayee das gemäßigte Gesicht der BJP repräsentiert, so mittelmäßig ist er als Parteistratege. Als der Jan Sangh 1977 einer Anti-Kongreß-Koalition beitrat, wurde Vajpayee zwar ein beliebter Außenminister, doch die Partei verlor ihr Profil als Hindu- Organisation. Die Neuauflage BJP gewann in den Wahlen von 1984 mit ihm als Parteiführer ganze zwei Sitze. Advani übernahm darauf den Parteivorsitz und steuerte die BJP mit einem scharfen antimuslimischen Kurs wieder auf die Erfolgsbahn. Doch Vajpayee behielt recht. Die Wahlen von 1991 und 1996 zeigten, daß die BJP so keine Mehrheit hinter sich scharen konnte. Als die Partei daraus die Konsequenz zog, kam ihr die Kompromißfähigkeit Vajpayees zustatten. Kleine Parteien ließen sich zur Zusammenarbeit überzeugen, weil er ihnen Garant einer gemäßigten Politik war. Die BJP konnte das Stigma der „Unberührbarkeit“ überwinden und wurde mehrheitsfähig. Bernard Imhasly

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