„Mörder, Mörder“-Rufe im chilenischen Senat

■ Unter massiven Protesten wird Exdiktator Pinochet als Senator auf Lebenszeit vereidigt

Buenos Aires (taz) – Aus Protest gegen die Vereidigung des chilenischen Exdiktators Augusto Pinochet als Senator auf Lebenszeit haben sozialistische Abgeordnete gestern den Sitz des Senates in Valparaiso besetzt. Die Abgeordneten setzten sich auf die Senatorenbänke und stellten Schwarzweißfotografien von unter Pinochet ermordeten Politikern vor sich auf. Unter den Bildern war auch das Foto des ehemaligen Präsidenten Salvador Allende, dessen demokratisch gewählte Regierung am 11. September 1973 von Pinochet aus dem Amt geputscht worden war. Nach dem Absingen der Nationalhymne verließen die Abgeordneten den Saal.

In schwarzem Anzug mit roter Krawatte und leicht konsterniertem Gesicht lauschte Pinochet dem Schlagabtausch zwischen den oppositionellen Abgeordneten und dem Senatspräsidenten. Immer wieder tönten „Mörder, Mörder“-Rufe von den Zuschauerrängen, als Pinochet schließlich als Senator vereidigt wurde. Die Polizei erteilt den Störern Platzverweis. Der Senatorenposten sichert Pinochet Immunität vor juristischer Verfolgung zu.

Vor dem Senatsgebäude demonstrierten derweil mehrere tausend Menschen gegen die Vereidigung Pinochets als Senator auf Lebenszeit. Rund 500 Pinochet-Gegner hatten schon die Nacht über mit Mahnwachen gegen den General demonstriert. Eine Puppe Pinochets wurde an einem Galgen aufgehängt.

Es kam zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Sondereinheiten der Polizei und den Demonstranten. Die Polizei nahm mehrere Pinochet-Gegner fest und setzte Wasserwerfer und Tränengas ein; es gab mehrere Verletzte. Hinter dem Senatsgebäude demonstrierten die Pinochet-Anhänger. Sie wurden eigens mit 80 Bussen angekarrt, um den Exgeneral bei seinem Übergang ins zivile politische Leben zu begleiten.

Unterdessen gehen die Bemühungen weiter, dem Exdiktator doch noch juristisch die weitere Karriere zu versperren. Nachdem Chiles Christdemokraten (DC) am Montag abend entschieden hatten, es dem Gewissen der einzelnen Abgeordneten freizustellen, ob sie der Verfassungsanzeige gegen Pinochet im Parlament zustimmen, hatten bis Dienstag nacht bereits 20 Abgeordnete den Antrag unterzeichnet. Darunter sind nicht nur Christdemokraten, sondern auch sozialistische Abgeordnete.

Am kommenden Montag soll der Antrag im Parlament eingereicht werden. Allerdings wird er, selbst wenn er im Parlament durchkommt, ganz sicher im Senat abgeschmettert, wo die Gefolgsleute von Pinochet eine Sperrminorität haben. Ingo Malcher