Hans Christoph Buch hat Fragen

In einem offenen Brief an Bundesinnenminister Manfred Kanther will der Schriftsteller wissen, was die in Deutschland lebenden algerischen Islamisten so alles treiben  ■ Von Thomas Dreger

Berlin (taz) – Eine Algerienreise hat bei dem Schriftsteller Hans Christoph Buch Fragen zu den Aktivitäten der Islamischen Heilsfront (FIS) in Deutschland aufgeworfen. Antworten erhofft er sich von Innenminister Manfred Kanther (CDU). „Trifft es zu, daß der Sprecher der Islamischen Heilsfront in der Bundesrepublik, Rabah Kebir, auf deutschem Boden für die Ziele der FIS wirbt und mit Unterstützung fundamentalistischer Kreise hierzulande in Moscheen Geld sammelt?“ fragt er Kanther in einem offenen Brief.

Ob es richtig sei, „daß demokratischen Oppositionspolitikern und Vertretern der zivilen Gesellschaft Algeriens die Einreise nach Deutschland erschwert oder verweigert wird, unter dem Vorwand, sie seien verkappte Asylbewerber und/oder ein Sicherheitsrisiko für die Bundesrepublik?“ will Buch wissen. Und weiter: „Finden Sie nicht auch, Herr Bundesinnenminister, daß mit zweierlei Maß gemessen wird, wenn Opfer und entschiedene Gegner des algerischen Terrorismus bei uns vor verschlossenen Türen stehen, während die Bundesrepublik dessen Drahtziehern und Hintermännern Asyl gewährt? (...) Was würden Sie, sehr verehrter Herr Kanther, sagen, wenn die algerische Regierung einer Nachfolgeorganisation der RAF (Die im Gegensatz zur FIS keine Babys massakriert) Zuflucht bieten würde mit der achselzuckenden Begründung, solange die Terroristen geltende Gesetze respektieren, könne die Regierung nicht gegen sie einschreiten?“

Hans Christoph Buch bereiste Algerien Mitte Februar im Troß einer Delegation des Europäischen Parlamentes. Angeschlossen haben sich Buchs Brief der französische Philosoph André Glucksmann und die Autoren Wolf Biermann, Peter Schneider, F. C. Delius, Richard Herzinger, Marko Martin und Joachim Walther.

Der im Zentrum des Briefes stehende FIS-Auslandssprecher Rabah Kebir (41) lebt seit 1991 mit Frau und Kindern in Deutschland. Status: anerkannter politischer Flüchtling. Bei den ersten freien Parlamentswahlen Algeriens erzielte der Physikprofessor in seinem Wahlbezirk 45 Prozent der Stimmen. Weil sich ein Sieg der FIS abzeichnete, brachen Militärs die Wahlen ab. Kebir kam ins Gefängnis, dann wurde er unter Hausarrest gestellt, schließlich gelang ihm die Flucht.

In Deutschland darf er sich nur eingeschränkt politisch betätigen. Wegen Interviews mußte er einige tausend Mark Strafe zahlen. Polizisten hinderten ihn, bei Treffen algerischer Oppositioneller aufzutreten.

Derweil übernehmen andere die politische und logistische Arbeit der FIS. So verurteilte im vergangenen Juni das Oberlandesgericht Düsseldorf die beiden als Flüchtlinge in Deutschland lebenden Söhne des in Algerien inhaftierten FIS-Gründers Abbassi Madani zu über zwei Jahren Haft. Sie hatten Islamisten in Algerien mit falschen Papieren versorgt.

Kebir wurde 1993 von einem algerischen Sondergericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Er habe einen Bombenanschlag auf dem Flughafen Algier mitorganisiert, bei dem 1992 neun Menschen starben. Am Dienstag wurden die algerischen Sonderrichter wieder aktiv. 17 im Exil lebende Algerier verurteilten sie zum Tode, darunter den in den USA inhaftierten Sprecher Anwar Haddam.