Das Schwerste überhaupt

■ Der Trend: Das Fernsehen geißelt sich selbst. Mit TV-Fälschern und so suhlt sich auch der „Polizeiruf“ in Medienkritik (So., 20.15, ARD)

Der „wilde Osten“ lebt – vor allem in den infantilen oder unwissenden Hirnen von Drehbuchschreibern und Regisseuren. Da reist im neuen „Polizeiruf 110“ zum Beispiel ein Mädchen aus Ruanda auf allerlei Schleichwegen zu seinem Vater nach Schwerin, doch in was für ein Sodom und Gomorrha gerät es? Brand im Asylbewerberheim, und zwar getürkt! Die raffgierigen Medien sind auch schon zur Stelle. Kein Wunder, wo sie doch kräftig Hand angelegt haben.

Erst Fernsehfälscher, dann Geiselnahme und dazu noch ein meistbietend makelbehaftete Medien makelndes Unternehmen, das mindestens zu Scientology gehört – wobei die Macher dieses neuesten „Polizeirufs“ es latent nicht ausschließen wollen, daß die Firma bereits die erste Stufe einer Invasion der Außerirdischen einleitet. Die Chefin des Unternehmens hat nämlich einen Igelschnitt und meditiert zudem unterm Schutz zahlreicher nußknackerhafter men in black auch noch zu Siegfried Wagner.

Noch mehr gefällig? „Live in den Tod“ hat der nichtsahnende Fernsehfreund offenbar einer Macher-Crew zu danken, die sich noch vielmals dümmer anstellt als die Figuren, die sie ins Rennen schickt. Wohlgemerkt, die Figuren, nicht etwa die gebeutelten Schauspieler.

Die eigentliche Geschichte gilt einer unappetitlichen Dumpfbacke namens Harry, die mit buchstäblich allen Mitteln zum Wichtig-wichtig-Journalisten aufsteigen möchte und am Ende sterben muß, was moraltechnisch neunzig quälende Minuten lang vorbereitet wird. Ganove Harry verdient nur insofern Erwähnung, als er einen Ganovenkumpel hat.

Darsteller des Karl – dein Name sei gepriesen! Warum steht er nicht in der Pressemitteilung? Und schade, daß sich der blonde Sachse Uwe Stemle und Maestro Böwe als altes Ermittlerpaar Hinrich/Groth nicht mehr ganz so fuchtig angiften können wie in alten Zeiten. Kurti Böwe ist nämlich nicht mehr so kräftig, was den Schlagabtausch mildert. Hiermit gute Besserung, und Malzbier trinken!

Wir haben Brecht-Jahr, hier also die Lehrsätze: Medienkritik im Film ist das Schwerste überhaupt. In der Dämonisierung der Medien liegt die Verharmlosung. Kritik, wenn sie überhaupt ernst genommen werden will – vom Verändern mal ganz zu schweigen, denn Marx ist ja sowieso schon lange tot –, muß schon halbwegs realistisch bleiben. Medien- Selbstkritik erst recht und nicht erst selbstgerecht. Anke Westphal