Viel Wind um China

In Peking wurde das weltgrößte Joint-venture für die Produktion von Windturbinen unterzeichnet. Die Regierung fördert Windkraft  ■ Aus Peking Stephanie Küch

Draußen vor der Jurte pfeift ein kräftiger Wind über die Steppe. Der Familie Ma drinnen ist das nur recht, denn so dreht sich das kleine Windrad vor der Tür und erzeugt genug Strom für Licht, Kühlschrank und Fernseher, und das in einer Gegend, die weitab vom öffentlichen Stromnetz in Chinas westlichem Hinterland liegt. 150.000 kleine Windkraftanlagen versorgen in der Inneren Mongolei 600.000 verstreut lebende Menschen mit Energie. 3.000 Kilometer entfernt auf der Insel Nanao vor der südchinesischen Küste steht ein moderner Windpark. 54 Turbinen sind hier nötig, um knapp die Hälfte des gesamten Stromverbrauchs der 70.000 Inselbewohner zu erzeugen.

Bisher mußte China diese großen Anlagen alle teuer importieren, jetzt sollen sie auch im Land gebaut werden – im weltweit größten Joint-venture für Windturbinen, das Ende Februar in Peking von den Joint-venture-Partnern Nordex Balcke-Dürr, Xian Aero Engine und China Aviation Industry unterzeichnet wird. „140 Turbinen zwischen 250 und 600 Kilowatt werden wir mit unseren Partnern jährlich produzieren“, sagt Karl-Eugen Feifel, Asien-Pazifik- Manager der dänisch-deutschen Nordex Balcke-Dürr. Pate des Projekts ist die Staatliche Planungskommission, eines der mächtigsten Staatsorgane in China, die unter dem klingenden Slogan „den Wind reiten“ seit letztem Jahr den Ausbau der Windenergie in China vorantreibt.

Denn noch steckt die Nutzung der Windkraft in den Kinderschuhen. Sie liefert nur 0,1 Prozent der gesamten Stromerzeugung. Dabei hat die Volksrepublik das Potential, in Sachen Windenergie weltweit an der Spitze zu stehen. Von den endlosen Ebenen der nordwestlichen Grenzprovinzen Xinjiang und Innere Mongolei bis zu dem gesamten Küstenstreifen im Osten weht es stetig und kräftig.

Die Regierung hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis zur Jahrtausendwende 1.000 Megawatt an Windkraftanlagen aufzustellen. Boomende Industrie und eine zunehmend wohlhabende Bevölkerung verbrauchen immer mehr Energie. 1.135 Milliarden Kilowattstunden wurden 1997 in China erzeugt – Platz zwei auf der ganzen Welt. Bisher kommen 80 Prozent des Stroms aus der Kohleverbrennung. Rund drei Milliarden Tonnen des Klimagases Kohlendioxid setzten die Kraftwerke im Jahr frei, die Schornsteine blasen Schwefeldioxid und Staub weitgehend ungefiltert in die Luft.

Doch Finanzierungsprobleme bremsen den Ausbau der sauberen Windenergie. Jetzt locken die Chinesen daher Investoren mit attraktiven Angeboten. Wenn der ausländische Joint-venture-Partner die Technologie liefert, sichert ihm die Planungskommission, die über die Verteilung von ausländischen Staatskrediten und sämtliche Projektbewilligungen entscheidet, in der Anfangsphase die Abnahme der Turbinen.

Daneben will die Regierung Investoren auch Direktinvestitionen in Windparks schmackhaft machen. Zum ersten Januar wurden die Import- und Mehrwertsteuer auf Windturbinen abgeschafft, und Windparks werden oft von der Landnutzungsabgabe und der Einkommensteuer befreit. „Die chinesische Regierung baut derzeit mit ihrer Starthilfe gezielt die Eingangsbarrieren ab“, lobt Feifel.

In seinem Joint-venture sollen im ersten Jahr 40 und im zweiten Jahr um die 60 Prozent der Anlagen lokal produziert werden. Unter Führung der Staatlichen Planungskommission ist außerdem eine weitere Windkooperation zwischen der Luoyang First Tractor Company und der spanischen Firma MADE unter Verhandlung. In der Praxis gibt es jedoch noch Probleme, die den Investoren das Leben schwermachen. So weigern sich Netzbetreiber trotz offizieller Abnahmepflicht immer wieder, den teureren Windstrom aufzukaufen.

Langfristig jedoch könnte die Rechnung mit dem Wind aufgehen. „Die Zeit arbeitet in China für die kommerzielle Nutzung der Windenergie“, hofft Feifel. Während Windkraft mit flächendeckender Einführung und lokaler Produktion immer billiger wird, steigen bei herkömmlichen Energieträgern wie Kohle und Öl die Preise. Die saubere Energie könnte sich vor allem im kohlearmen Süden mit seinen energiehungrigen Boomstädten rechnen.

Blau wird der Himmel in China trotzdem nicht so schnell werden. Zu gigantisch sind die benötigten Strommengen und damit auch die jährlichen Zuwächse in der Kohleverbrennung, die sich bis zum Jahr 2020 schätzungsweise noch einmal verfünffachen wird. Wang Shucheng, Vizeminister des Stromministeriums, zeigt sich dennoch optimistisch: „Obwohl die für das Jahr 2000 anvisierten 1.000 Megawatt an Windkraftanlagen nach wie vor nur 0,3 Prozent der gesamten chinesischen Stromerzeugung ausmachen, wird dies dennoch ein bedeutender Wendepunkt.“ Bei den Nomaden auf den mongolischen Steppen stehen Windräder als Mitgift schon heute hoch im Kurs.