Schuld und Sühne und Beichtgeheimnis

■ Dramaturgische Laubsägearbeiten sind böse – doch „Das Böse“ ist böser (20.15 Uhr, ZDF)

Mein lieber Schwan, hier geht's aber los. Da sieht man in der einen Szene den Herrn Lehrer seine fast erwachsene Tochter Katja penetrieren und in der nächsten mit dem Kinderchor christliche Weisen proben. „,Die Sünden der Welt‘, das sind bedeutungsvolle Worte“, hört man den Kinderschänder sagen. Aha – alles klar, da lebt einer doch schwer in der Lüge. Wer bei derart dramaturgischen Laubsägearbeiten der Bedeutsamkeit für gewöhnlich gleich nach der Fernbedienung langt, sollte es diesmal vielleicht ausnahmsweise lassen.

Zwar unterläuft Christian Görlitz und seinem Koautor Bernd Sülzer in der Folge noch der ein oder andere Lapsus dieser Art, aber der Film der jüngst mit dem Adolf-Grimme-Preis in Gold („Freier Fall“) dekorierten Filmemacher ist denn doch deutlich was anderes als das x-te Fernsehspiel in der Dutroux-Nachfolge. Denn der fortgesetzte sexuelle Mißbrauch ist hier allenfalls der Auslöser für eine Kettenreaktion schuldhafter bis tragischer Verstrickungen.

Als Katja von ihrem Vater schwanger wird und kurz darauf die verstümmelte Leiche eines kleinen Jungen gefunden wird, kommen die Dinge mächtig ins Rollen, bis schließlich auch Johannes, der liberale Pfarrer des niederrheinischen Provinzstädtchens, nicht mehr ein noch aus weiß. („Du trinkst, Johannes!“)

Schließlich könnte Hochwürden dem ratlosen Kommissar bei der Tätersuche durchaus helfen, gäbe es da nicht das Beichtgeheimnis. Schlecht für Herrn Pfarrer, gut für den Film. Denn so entwickelt sich ein Plot mit einer Reihe von überraschenden Wendungen, die bisweilen kühn anmuten, aber letztlich nicht ohne Plausibilität sind. Selbst wenn da zwischenzeitlich Leichen anfallen, daß man sich fast bei den 10 kleinen Negerlein wähnt.

Daß es, während das Kaff in Sünde ertrinkt, sintflutartig schüttet, gehört hingegen ebenso zu den eher ärgerlichen Overdone-Stilisierungen wie die seltsamen See- Bestattungen, die den trüben Niederrhein schnurstracks zum Styx erheben.

Letztlich läßliche Sünden bei einem Film, der ansonsten in puncto Spannung und Handwerk deutlich jenseits des TV-Standards rangiert. Was nicht zuletzt auch mit Darstellern wie Annett Renneberg, Michael Kind und Ulrich Tukur zu tun hat. Reinhard Lüke