„Wir sind schließlich noch nicht tot“

■ UKE-Strahlenpatientinnen entsetzt über gescheiterten Vergleich mit Senatorin Sager

80 Brustkrebspatientinnen, die im UKE-Strahlenskandal gesundheitlich geschädigt wurden, werden auch in Zukunft mit der Wissenschaftsbehörde um jede Mark Schadenersatz streiten müssen. Gestern lief eine vom Oberlandesgericht bestimmte Frist ab, innerhalb derer die Streitenden auf einen Nenner kommen sollten. Wie es nun aussieht, wird kein Vergleich zustande kommen.

Und nicht nur das: Patientenanwalt Wilhelm Funke hat einen Richter des Zivilsenats, der über diesen Ausschnitt aus dem UKE-Strahlenskandal zu Gericht sitzt, aufgefordert, sich selbst wegen Befangenheit abzulehnen. Der Mann soll gute Kontakte zur Wissenschaftsbehörde pflegen. Obendrein war er am ersten Verhandlungstag mit der Empfehlung aufgefallen, die Höhe der Schmerzensgeldforderungen erheblich herunterzuschrauben. Schließlich seien „hier kranke Menschen geschädigt worden und keine gesunden“.

Die Stadt hat den Frauen einen Vergleich angeboten, den die Patientinnen nicht akzeptierten. Denn das Angebot unterscheidet sich in einem wichtigen Detail von dem des Patientenanwalts Wilhelm Funke: Geht es nach der Wissenschaftsbehörde, soll das Schmerzensgeld für alle bisher durch die Strahlentherapie erlittenen Gesundheitsschäden gezahlt werden. Funke hat seinen Mandantinnen jedoch geraten, auch an die Spätschäden zu denken und einer Einigung nur zuzustimmen, wenn darin die Option auf spätere Leistungen enthalten ist. Bislang ist zwischen den Beteiligten kein Gespräch zustande gekommen. Wissenschaftssenatorin Krista Sager (GAL) betont: „Es ist Herr Funke, der sich dem Einigungsvorschlag des Gerichts bedauerlicherweise verweigert.“

„Wir sind noch nicht tot“, zitiert Funke seine Mandantinnen, die sich nicht behandeln lassen wollen, als seien sie bereits verstorben und auf diese makabre Weise gegen Spätschäden gefeit. Notfalls wollen die Frauen, die auf ein schnelles Ende des Rechtsstreits gehofft hatten, bis in die letzte Instanz gehen.

Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) hatte am 20. Februar angeregt, die ehemaligen Patientinnen der gynäkologischen Radiologie mit jeweils 20 000 Mark Schmerzensgeld abzufinden. In der Berufungsverhandlung geht es um den Vorwurf der Patientinnen, sie seien nicht hinreichend über mögliche Strahlenschäden aufgeklärt worden, die aus der Bestrahlung mit 4 mal 2,5 Gy statt 5 mal 2,0 Gy pro Woche resultieren können.

Das Landgericht hatte vier Patientinnen der UKE-Frauenklinik im vergangenen Jahr Recht gegeben und die Hansestadt zu Schadenersatzleistungen verurteilt – übrigens mit der Option, Folgeschäden auch später abzugelten. Die Stadt und auch der betreffende Chefarzt Hans-Joachim Frischbier haben dagegen Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht soll jetzt in vier Musterfällen entscheiden, was den Frauen zusteht. Beim Landgericht sind rund 80 ähnlich gelagerte Verfahren anhängig. Der nächste Verhandlungstermin ist der 9. April.

Lisa Schönemann