„Liebe taz...“Post-Yuppie- Heinzelmännchen –betr.: Eröffnung von neuen Lifestyle-Läden am Sielwall-Eck

Wie die Pilze schießen sie derzeit aus dem Bremer Boden, diese kleinen bunten Läden, die sich „Lifestyle Stores“nennen. Gestern noch ein abgewracktes Loch, heute wummert schon der Dubsound aus allen Ritzen. Wie ein Rollkommando rücken sie an, diese spritzigen flexiblen Jungs und Mädels, die aussehen, als hätten sie gerade die zehnte Klasse abgebrochen, um endlich das große Geld zu machen. Als erstes werden alle Fensterflächen mit Plakaten zugepappt, auf denen die Eröffnungsparty am Samstag angekündigt wird. Dann hört man es zwei Tage und zwei Nächte durchhämmern und pünktlich am Samstag früh, um 10.30 Uhr, wird geöffnet. Zack-zack-zack, so schnell geht das bei der Jugend von heute.

Und dann geht sie los, die große Verkaufsparty. Und wie! Wer will heute schon noch zehn Läden abklappern, wegen eines einzigen läppischen Einkaufsbummels? Außerdem kaufe ich meine Klamotten ja ohnehin nur noch, um damit anzugeben. Was liegt also näher, als beides zu verbinden, diese lästige Einkauferei und das eigentliche „Schau-mal-her-ich-hab-neue-Cat-Schuhe“in eins zu koppeln. Das die ganzen In-Parties alle erst nach zwei Uhr beginnen, das nervt doch ohnehin seit langem. Ab sofort gibts die Party tagsüber schon, im Geschäft gleich um die Ecke. Und befriedigt werden alle Bedürfnisse des Trendygirls und Hipboys von heute. Bedürfnisse, die da wären, Klamotten, Platten, Skateboards, Musik, BMX-Räder und ganz wichtig natürlich, gute Laune, lustig sein und gesehen werden. Letztere drei gibts gratis. Und wenn sich alle daran halten und tun, was sie tun sollen, nämlich gut drauf sein und kaufen, dann wirds echt cool. Und du mußt dein vieles Geld, bzw. das deiner Eltern, aber das ist ja egal, auch nicht mehr irgendeinem vertrottelten Pulliverkäufer hinschmeißen, sondern drückst es dem „authorized dealer“in die Hand.

Das ist doch gleich ein ganz anderes Geldausgebefeeling. Sind doch viel sympathischer, diese flotten Dealer. Und draußen hängen auch nicht mehr diese uncoolen Öffnungszeitenzettel. Hinter der Tür baumelt die Metallplakette, auf der „open“oder „closed“steht und jeder weiß, was Sache ist. Und wer kein Englisch kann, der hat hier sowieso nichts verloren. Ebensowenig, wie die armen Schweine, die keine reichen Eltern haben, oder jene, die nicht wissen, daß man auf „macht 291 Mark 50“zu antworten hat „hey geil, gib her“. Das hier ist schließlich kein normaler Laden, Alter, das ist Lifestyle. Kapiert!

Jürgen Ruggaber