Ölindustrie rutscht fast auf 4.000 Dollar aus

Venezuelas Gewerkschaft setzt sich bei Lohnforderung für 400 Transportarbeiter durch und sagt einen Streik ab. Das Land leidet massiv unter dem Ölpreisverfall, den es durch riesige Fördermengen selbst mitverursacht  ■ Von Ingo Malcher

Buenos Aires (taz) – 400 Arbeiter in der Ölindustrie legten vergangene Woche die Nerven einiger venezolanischer Regierungsbeamter blank. Weil sich die staatliche Petroleos de Venezuela (PDV) geweigert hatte, den 400 Transportarbeitern zehn Dollar mehr Lohn auszuzahlen, drohte die Gewerkschaft mit einem zwölfstündigen Streik der fast 90.000 Arbeiter in der Erdölindustrie. In eilig einberufenen Verhandlungen konnte der Ausstand am Samstag dann doch noch abgewendet werden – die PDV will die geforderten zehn Dollar zahlen. Damit haben die Erdölarbeiter jetzt ein Grundgehalt von 559 Dollar pro Monat.

„Es ist wenig besonnen, einen solch schweren Konflikt heraufzubeschwören, der sehr ernste Folgen für Venezuela mit sich bringen könnte“, beschwerte sich José Toro Hardy, Direktor der PDV, als ihm die Streikandrohung zugetragen wurde. Ein Streik in der Erdölindustrie hätte Venezuela derzeit schwer getroffen. Wegen der niedrigen Ölpreise auf dem Weltmarkt steckt das Land in einer schweren Krise. Die für 1998 geplanten Staatsausgaben wurden bereits stark gekürzt. Erdöl und Erdgas sind die wichtigsten Ausfuhrprodukte Venezuelas, sie machen gut 80 Prozent der Exporteinnahmen des Landes aus.

Vergangenen Freitag wurde der Barrel (159 Liter) venezolanisches Öl für 10,65 Dollar gehandelt. Das waren zwar fünf Cents mehr als noch am Dienstag, jedoch weniger als noch vergangene Woche, als das Barrel noch mit 11,40 Dollar den Besitzer wechselte. In den vergangenen zwei Jahren ist der Preis für Rohöl immer weiter abgeschmiert. Gab es im April 1996 noch 18,30 Dollar, so waren es im Jahresdurchschnitt 1997 nur noch 16,48 Dollar. Im Dezember 1997 war das Barrel Öl nur noch 15,02 Dollar wert, um dann im Januar auf 13,05 Dollar zu fallen und im Februar bei 12,18 Dollar anzukommen.

Dieser steile Preisverfall hat riesige Löcher in Venezuelas Staatshaushalt gerissen. Ein Einkommensverlust von bis zu 2,5 Milliarden Dollar wird durchaus für möglich gehalten. Die Einnahmen aus Rohöl decken mehr als die Hälfte des Staatshaushaltes. Venezuela schert sich nicht um die von der Opec vorgeschriebenen Produktionsquoten für Rohöl. Täglich 2,58 Millionen Barrel darf das Land laut Opec-Vereinbarung produzieren, zuletzt förderte es allerdings etwa 3,5 Millionen Barrel. Die Opec beschuldigt Venezuela, mit der Überproduktion entscheidend am Preisverfall für Rohöl auf dem Weltmarkt mitzuwirken. Diesen Vorwurf weist der venezolanische Präsident Rafael Caldera entschieden zurück. In seiner vergangene Woche gehaltenen Rede zur Lage der Nation sagte er, „der Preisverfall bei den Ölpreisen kann nicht darauf zurückgeführt werden, daß Venezuela über dem Limit produziert, das von einem veralteten Opec-Quotensystem starr aufgezwungen wurde“.

Opec-Partner wollen zurück zur Förderquote

Wegen des Preisverfalls hat Saudi- Arabien Druck gemacht, die Überproduktionssünder in der Opec dazu zu zwingen, ihre vereinbarten Quoten einzuhalten. Eine Krisensitzung ist für Ende des Monats anberaumt. Venezuela steht ganz oben auf der Liste der Länder, die ihre Produktion verringern sollen. Doch Caldera lehnt das kategorisch ab. Außerdem habe sich die Rolle der Opec nach Ansicht Calderas stark verändert. „Wir müssen anerkennen, daß die Opec längst nicht mehr die Kontrolle über den Markt hat, die sie einst hatte. Von 75 Millionen Barrel, die täglich in der Welt produziert werden, fördert die Opec nur 28 Millionen“, so Caldera.

Allerdings widersprach Caldera Gerüchten, wonach Venezuela, einst Gründungsmitglied der Opec, aus der Organisation austreten will. Es bedürfe „sehr triftiger Gründe, damit wir einen Austritt erwägen“, sagte Außenminister Miguel Angel Burelli Rivas.