Annan findet engagierte Worte

Der UNO-Generalsekretär fordert zum Auftakt der diesjährigen Sitzung der Menschenrechtskommission ein „Zeitalter der Prävention“  ■ Aus Genf Andreas Zumach

„In Deutschland holten sie zuerst die Kommunisten, und ich schwieg, weil ich kein Kommunist war. Dann holten sie die Juden. Ich schwieg, weil ich kein Jude war. Als nächstes holten sie die Gewerkschafter. Ich schwieg, weil ich kein Gewerkschafter war. Dann holten sie die Katholiken. Ich schwieg, denn ich war Protestant. Als sie schließlich mich abholten, war niemand mehr da, der hätte reden können.“

In voller Länge zitierte UNO- Generalsekretär Kofi Annan in seiner gestrigen Rede zur Eröffnung der UNO-Menschenrechtskommission in Genf das berühmte Wort des deutschen Theologen Martin Niemöller über den mangelnden Widerspruch seiner Landsleute gegen das Naziregime. Niemöller, Mitbegründer der Bekennenden Kirche und zeitweise „persönlicher Gefangener“ des Führers, wurde später Präsident des 1948 gegründeten Weltkirchenrates.

Im selben Jahr verabschiedete die UNO-Generalversammlung ganz wesentlich unter dem Eindruck der Nazibarbarei in Europa die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ – laut Annan „bislang nur eine gemeinsame Proklamation, die uns dazu aufruft, endlich gemeinsam zu handeln“. Menschenrechtsverletzungen seien nach wie vor eine weitverbreitete Realität und die Staatengemeinschaft „nicht in der Lage – und oftmals nicht willens – diese Realität zu überwinden“.

Der UNO-Generalsekretär mahnte die 185 UNO-Staaten, sämtliche bestehenden Menschenrechtskonventionen durch Ratifizierung in den Parlamenten endlich „zu global verbindlichem Völkerrecht zu machen.“ In der Vergangenheit seien Bemühungen zum Schutz von Menschenrechten für die Opfer von Verstößen „zumeist zu spät gekommen“, zog Annan eine kritische Bilanz der letzten 50 Jahre. Das nächste Jahrhundert müsse „das Zeitalter der Prävention werden“.

Annan wandte sich entschieden gegen jeglichen Versuch, die universelle Gültigkeit der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ sowie sämtlicher seitdem verabschiedeten über 20 spezifischen Abkommen in Frage zu stellen: „Menschenrechte sind europäische Rechte, asiatische Rechte, amerikanische Rechte und afrikanische Rechte“, betonte der aus Ghana stammende Generalsekretär. Die auch in der UNO-Kommission durchaus vorhandende Ansicht, Menschenrechte seien ein Luxus für die Reichen und Afrika dazu noch nicht bereit, wies Annan als „Beleidigung für die Würde aller Afrikaner“ zurück.

Keiner von Annans sechs Vorgängern auf dem Posten des UNO- Generalsekretärs hat sich so deutlich zum Thema Menschenrechte geäußert. Der Beifall unter den Diplomaten der Menschenrechtskommission war groß. Welche Wirkung die Worte Annans darüber hinaus haben, werden aber erst die Kommissionsberatungen der nächsten sechs Wochen zeigen.