Locker: „Diese schöne neue SPD“

■ Johannes Rau, Vater aller Nordrhein-Westfalen, dankt ab. In Bonn feiern seine Kollegen dies als Zeichen für eine heile Partei

Bonn (taz) – Stellen wir uns vor, Schröder hätte die Niedersachsen- Wahl verloren, Lafontaine hätte Kanzler werden müssen, die FDP hätte nicht beim Lauschangriff gegen die CDU gestimmt, und dann wird auch noch der verdienstvolle und hochgeschätzte Johannes Rau quasi aus seinem Amt als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen gedrängt. Wäre das nicht ein weiteres Zeichen gewesen, daß es um die SPD nicht besonders steht?

Aber Schröder hat nun mal die Kandidatenkür gewonnen, und seitdem steht fast alles bei der SPD unter positiven Vorzeichen. Also freut man sich in der Parteizentrale und der Fraktion. Je nach Temperament sieht man es als „durchweg positiv“, daß Rau Platz für Clement macht, oder bezeichnen sich gar als „euphorisch“.

Die Entscheidung stehe für einen „Generationswechsel“, jubelt der eine, das zeigt „unsere Bereitschaft zur Veränderung“, begeistert sich der zweite, und die dritte freut sich, „wir haben den Schwung aus den vergangenen Wochen aufgenommen“. Ganz nüchtern wird vor allem ein Argument dieser neuerdings so erfolgverwöhnten SPD immer wieder genannt: Zwischen den jüngsten Erfolgen, der Niedersachsen-Wahl sowie dem Mini-Triumph beim Lauschangriff und den nächsten zu erwartenden Glanzlichtern, dem Parteitag in Leipzig (17. und 18. April) und der Sachsen-Anhalt-Wahl (26. April), mußte einfach ein weiteres positives Zeichen gesetzt werden, um die Euphorie in und um die SPD herum am Kochen zu halten. „Etwas in eine Kette von Ereignissen setzen“, heißt das, oder aus einem anderen Mund: dafür zu sorgen, „daß etwas passiert, wo gerade nichts passiert“. War Rau ein Holzscheit, der das Feuer am Brennen hält?

So ist es natürlich nicht gemeint, denn kein Makel, kein einziger, soll das Triumphgefühl der SPD trüben. Also heißt es unisono, Rau habe schon vor dem „Gequengel“ seiner Kritiker Bernhard Kasperek und Friedhelm Farthmann beschlossen, im Sommer zurückzutreten. Wie könnten diese beiden „Querulanten“ einen Rau beeinflussen? Von seinen Bonner Parteifreunden habe sich Rau ebenfalls nicht drängen lassen. Auch die Kandidatenentscheidung für den Clement-Befürworter Schröder habe den Vorgang nicht beeinflußt. Na ja, jedenfalls nicht entscheidend. Der Wechsel sei ohnehin seit langem beschlossene Sache gewesen. Schließlich habe Rau seinen designierten Nachfolger schon 1995 in weiser Voraussicht die NRW-Koalitionsverhandlungen mit den Grünen führen lassen. Und Lafontaine habe auch zu dem Rücktritt Raus geraten, obwohl Schlauberger vermuten könnten, daß ihm die Machtachse Schröder- Clement nicht ganz geheuer ist. Zu allem Überfluß wird sich der bisherige Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering als Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen ganz vorzüglich mit Clement verstehen. Der Administrator Clement, der nicht gerade ein Landesvatertyp sei, werde von dem tief in der Partei verwurzelten Müntefering prima ergänzt. Die Zeiten von Flügelstreitereien, das wissen wir von Schröder und Lafontaine, bekommt diese „schöne neue SPD“ locker in den Griff.

Das Erstaunliche daran ist: Diesmal gibt es wirklich keine Anzeichen dafür, daß diese Einschätzungen einer heilen sozialdemokratischen Welt nicht zutreffend sein könnten. Fehlt nur noch, daß Rau trotz allem Bundespräsident wird. Aber das soll Gerhard Schröder ja schon zugesagt haben. Markus Franz