„Die Grünen sind vertragstreu“

■ Auch ein Ministerpräsident Clement ist akzeptiert – wenn er zur Koalition steht, sagt die Sprecherin der Bundestagsfraktion, Müller

taz: Frau Müller, als die Grünen im Konflikt um Garzweiler klein beigeben mußten, trösteten sie sich damit, daß die Rache kalt genossen werde. Ist der Zeitpunkt der Revanche gekommen, wenn Wolfgang Clement zum Ministerpräsidenten gewählt wird?

Kerstin Müller: Also, um das noch mal festzuhalten: Wir haben im Garzweiler-Konflikt nicht klein beigegeben. Wir sehen noch Möglichkeiten, Garzweiler aus der Regierung heraus zu verhindern. Unsere Umweltministerin Bärbel Höhn ist jetzt am Zuge, sie prüft die wasserrechtlichen Voraussetzungen.

Nicht wenige in Ihrer Partei, auch Realos, sehen im Rücktritt von Rau eine Veränderung der Geschäftsgrundlage für Rot-Grün.

Das sehe ich nicht so. Der Koalitionsvertrag wird zwischen Parteien geschlossen. Und im nordrhein-westfälischen Koalitionsvertrag steht: Die SPD stellt den Ministerpräsidenten. Und wir Bündnisgrünen waren immer vertragstreu. Wir erwarten allerdings auch vom Nachfolger Raus, daß er zum Koalitionsvertrag steht.

Die Grünen werden also keine Bedingungen an die Wahl Clements knüpfen.

Es wird sicher Diskussionen in der Landtagsfraktion darüber geben. Ich warne allerdings davor, den Koalitionsvertrag in Frage zu stellen. Wir erwarten von Clement, daß er gegenüber den Grünen – anders als bisher – so verläßlich agiert, wie Rau es getan hat.

Wie soll man sich denn die Möglichkeiten vorstellen, aus einer Regierung Clement heraus Garzweiler zu verhindern?

Das muß man sich sogar vorstellen...

Mir fehlt die Phantasie.

Die ergebnisoffene Prüfung der wasserrechtlichen Voraussetzungen ist vereinbart. Solange die Prüfung nach Recht und Gesetz andauert, gibt es keinen Anlaß für Konflikte. Wir gehen davon aus, daß auch Clement zu dem Ergebnis stehen wird.

In dieser Legislaturperiode ist damit kaum zu rechnen.

Das Prüfverfahren wird voraussichtlich ein bis zwei Jahre dauern.

Sehr viel früher droht ein anderer Konflikt: Werden die Castor- Transporte nach Ahaus die Koalition belasten?

Sicher nicht. Die Koalition hat sich gegen die Transporte ausgesprochen. Wir werden mit allen Kräften den friedlichen Protest in Ahaus unterstützen, und ich hoffe, daß es nicht zu einer Eskalation kommen wird.

Innenminister Kniola will Ihren Protest möglichst weit von den Transporten fernhalten.

Ich kann die SPD nur davor warnen, die friedlichen Proteste zu kriminalisieren.

Clement ist bei den Grünen als neuer Technokrat verschrien.

Die sogenannten Modernisierer Clement und Schröder vertreten eine sehr konservative Wirtschaftspolitik. Einen technokratischen Industriekurs, bei dem Wachstum über alles geht und die Ökologie hinten ansteht.

Wird man an Rot-Grün mit Clement ermessen können, wie Rot-Grün mit Schröder funktionieren wird?

Ich warne davor, eine Landeskoalition als Modell auf den Bund zu übertragen. Interview: Dieter Rulff