Grundguter Gemütsmensch

■ Wolfgang Grönebaum, der von Anfang an den Egon in der "Lindenstraße" spielte, ist tot

Als am Dienstag morgen die WDR-Nachrichten im Radio den Tod des Schauspielers Wolfgang Grönebaum vermeldeten, biß auch unsereins ungerührt in sein Nutella-Brötchen, hielt bei der Frühstückslektüre kaum inne und hörte sich höchstens irgendwo im Unterbewußtsein fragen: „Wolfgang wer?“ Doch als der Nachsatz kam, daß der Mime vor allem als Darsteller des Egon Kling in der „Lindenstraße“ bekannt geworden sei, mußte man doch Brot und Zeitung kurz beiseite legen und ein schon irgendwie betroffenes „Ach!“ ausbringen.

Denn natürlich teilte Wolfgang Grönebaum das Schicksal aller „Lindenstraßen“-Darsteller. Vielleicht wissen eingefleischte Fans noch, daß die Beimersche eigentlich hinten Marjan heißt, aber Egon war einfach Egon. Der grundgute Gemütsmensch, mit einer Giftschleuder namens Else als Gattin und dem tumben Olaf als Sohn geschlagen. „Mensch, Egon“, so hörte man sich doch des öfteren vorm Bildschirm sagen, „nu' hau aber mal mit der Faust auf 'n Tisch!“ Doch jahrelang haute Egon nicht. Allenfalls, daß er mal ins „Akropolis“ schlurfte und sich ein paar Bierchen gegen den Frust einpfiff. Daß er später bereitwillig den Haussklaven für den schnöseligen Dr. Dressler machte, haben wir ihm irgendwie übelgenommen. Aber als er dann seiner Keif-Else den Laufpaß gab, den Genießer in sich entdeckte und mit Frühlingsgefühhlen Isolde anbaggerte, kam ehrlich mitfühlende Freude auf. Jetzt wird das definitiv nix mehr mit den beiden.

Denn einen neuen Egon-Darsteller, so hat „Lindenstraße“-Produzent Hans W. Geissendörfer wissen lassen, wird es definitiv nicht geben. Wäre ja auch noch schöner – ein neuer „Egon“! Egon war Egon und wird immer Egon bleiben. Dabei gab es für Wolfgang Grönebaum, der am 8.12. 1985 den ersten Satz der Serie sprechen durfte („So, hier sind die Schlüssel“), durchaus ein (Fernseh-)Leben vor der „Lindenstraße“. Mit seiner markanten Raucherstimme lehrte der gelernte Theaterschauspieler als Sprecher der „Aktenzeichen XY“-Filmchen die Nation fast 20 Jahre lang das Gruseln – aber er sprach auch „Sendung mit der Maus“-Geschichten.

Im Alter von 71 Jahren starb Grönebaum am Montag an den Folgen einer Lungenentzündung. Am Dienstag abend war sein Tod dann selbst der „Tagesschau“ eine Nachricht wert. Eine Ehrenbezeigung, die bekanntlich nur wirklich großen Popstars wie Jimi Hendrix, Lady Di und eben Egon zuteil wird. Kurt Cobain hat's jedenfalls nicht geschafft. Obwohl er immer so ähnliche Hemden trug wie Egon. Reinhard Lüke