Bauern wollen keinen Scheck aus Brüssel

Gestern stellte die EU-Kommission ihr Programm vor, wie sie die Gemeinschaft für die Osterweiterung fit machen will. Die geplante Senkung der garantierten Milch- und Fleischpreise empört die Agrarlobby  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Der bayerische Reflex kommt immer schneller. Noch bevor die Europäische Kommission in Brüssel gestern ihre Pläne zur Reform der Landwirtschaftspolitik und der Strukturfonds vorlegte, hagelte es bereits Proteste aus München. Gemeinsam mit den Bauernverbänden wetterte die bayerische Staatsregierung, die Vorschläge würden allein in Bayern mindestens 20.000 Bauern in den Ruin treiben.

Hinter der Polemik verbirgt sich vor allem die Angst vieler Bauern, daß bei einer weniger undurchsichtigen Agrarpolitik die restliche Bevölkerung auf die Subventionen aufmerksam werden könnte. „Wir werden unter öffentlichen Druck kommen“, klagte der deutsche Bauernpräsident Gerd Sonnleitner schon vor einiger Zeit. Denn die Pläne der EU-Kommission zielen darauf, die in den hohen Preisen versteckten Zuschüsse künftig vermehrt als Einkommensbeihilfen zu zahlen.

Die Änderung der Agrarpolitik ist ein Teil der Agenda 2000, mit der die EU für die Osterweiterung fit gemacht werden soll. Eine Ausweitung des Subventionssystems würde die EU finanziell überfordern. Zur Zeit gibt die EU mit 80 Milliarden Mark jährlich die Hälfte ihres Budgets für die Landwirtschaft aus.

EU-Agrarkommissar Franz Fischler betonte gestern, daß die Reform auch ohne Osterweiterung notwendig wäre. Die hohen Garantiepreise würden in den nächsten Jahren erneut zu unverkäuflichen Fleisch- und Getreidebergen führen. Bei niedrigeren Preisen dagegen steige der Absatz auf dem Weltmarkt. Außerdem werde die EU ihren mit hohen Importzöllen und Ausfuhrerstattungen abgeschotteten Agrarmarkt bei der anstehenden Welthandelskonferenz nicht halten können.

Im Kern sehen die Pläne eine Reduzierung der garantierten Preise für Rindfleisch um 30 Prozent, bei Getreide um 20 Prozent

und bei Milch um 15 Prozent vor. Um sie gegen den Lobbydruck durchzusetzen, hat Fischler die Milchquote um 2,35 Millionen Tonnen erhöht. Der Einkommensverlust soll den Bauern mit einem monatlichen Scheck ausgeglichen werden. Daran will Fischler allerdings Bedingungen wie Schutz des Grundwassers und Landschaftspflege knüpfen. Ökologischer Anbau soll zusätzlich gefördert werden. Gerade das wollen die großen Bauernverbände verhindern. Man könne den Bauern nicht etwas wegnehmen und ihnen dann bei der Entschädigung neue Aufgaben zuweisen, so Sonnleitner. Auch die alternativen Bauernverbände sind nicht glücklich. Sie würden lieber die hohen Garantiepreise beibehalten und diese an Auflagen zu mehr Ökologie geknüpft sehen. Die EU müsse bei der Welthandelskon-

ferenz einfach hart bleiben und den Schutz der Bauern in den Vordergrund rücken. Doch abgesehen davon, daß es dafür kaum politische Mehrheiten gibt, weisen Agrarexperten auch darauf hin, daß bei hohen Preisen der Anreiz steige, mit mehr Chemie das Letzte aus dem Acker zu holen.

Ähnlich umstritten wie das Agrarpaket ist auch die geplante Änderung der Strukturhilfen, die gegenwärtig ein Drittel der EU- Ausgaben binden. Die zuständige EU-Kommissarin Monika Wulf- Mathies will die Gießkanne etwas genauer einstellen. Derzeit leben 50 Prozent der EU-Bevölkerung in Gebieten, die von der EU Zuschüsse erhalten. Ab 2000 sollen es 40 sein. Wulf-Mathies hätte gerne 35 Prozent erreicht, aber „es wurde Druck ausgeübt, weil keine Regierung etwas abgeben wollte“. Auch die westdeutschen Länder hätten sich dagegen gesträubt, auf Gelder zu verzichten, die Ostdeutschland mehr bekommen sollte. Unterm Strich wird die Strukturhilfe für den Zeitraum von 2000 bis 2006 weiter ansteigen, allerdings langsamer als bisher, damit für die elf Beitrittsländer 90 Milliarden Mark übrigbleiben. Die heutigen Mitglieder teilen sich dagegen 450 Milliarden Mark. Die Agenda 2000 ist bisher nur ein Vorschlag der EU- Kommission, den die 15 EU-Regierungen verändern werden.