„Die informelle Quarantäne wird durchbrochen“

■ Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Christa Nickels kritisiert die Reise des Papstes nach Nigeria

taz: Was halten Sie von der geplanten Nigeriareise des Papstes?

Christa Nickels: Seit der Hinrichtung des Schriftstellers Ken Saro-Wiwa hat gegenüber Nigeria eine Art informeller Quarantäne funktioniert. Es hat seit damals seitens westlicher Staaten keine hochrangigen Staatsbesuche gegeben. Der Papstbesuch durchbricht das, auch wenn er ein geistliches Oberhaupt ist. Eine Visite, die er einem Land abstattet, findet weltweite Beachtung. Damit hat sie den Charakter eines Staatsbesuchs.

Ihnen wäre es also lieber, er führe nicht?

Ich bin sehr besorgt. Ich befürchte, daß entgegen der Absicht des Papstes der Militärherrscher Abacha ein halbes Jahr vor den geplanten Wahlen mit dem Besuch aufgewertet wird. Die informelle Quarantäne wird durchbrochen. Diese Bresche kann benutzt werden, um auch wirtschaftliche Aktivitäten leichter wieder betreiben zu können. Deutsche Firmen haben ja ohnehin schon versucht, die Bundesregierung zu einem freundlichen Entgegenkommen gegenüber Abacha zu bewegen, ohne daß sich die Menschenrechtslage in Nigeria grundlegend verbessert. Der Besuch des Papstes macht ihnen ihr Geschäft leichter.

Aber könnte der Besuch des Papstes nicht im Gegenteil das Augenmerk der Weltöffentlichkeit stärker auf die Menschenrechtsfrage in Nigeria lenken?

Es geht ja nicht darum, daß die Welt für ein paar Tage wie durch ein Brennglas nach Nigeria schaut. Es geht darum, Instrumente zu finden und auch anzuwenden, die diesen Diktator zu Schritten hin zur Demokratisierung und der Beachtung der Menschenrechte bewegen.

Sie haben anläßlich des Papstbesuches in Nigeria ein Gespräch mit dem Nuntius in Bonn geführt. Haben Sie dort Ihre Bedenken vorgetragen?

Ja. Der Nuntius hat darauf verwiesen, daß ein Hauptanliegen des Papstes in seinem gesamten Pontifikat das Eintreten für die Beachtung der Menschenrechte sei.

Reicht Ihnen das?

Meine Bedenken sind nicht ausgeräumt. Auch Menschenrechtsorganisationen teilen diese Bedenken. Sollte ich mit meinen Befürchtungen unrecht haben, wird mich das freuen. Da der Papst nun einmal fährt, habe ich natürlich trotzdem die Hoffnung, daß er etwas bewegen kann. Ich habe dem Nuntius eine Liste mit 150 Namen politischer Gefangener gegeben mit der Bitte, die noch an den Papst zu übermitteln. Interview: Bettina Gaus