Der Papst beim Militärdiktator

Morgen trifft Papst Johannes Paul II. zu einem dreitägigen Besuch in Nigeria ein. Dort konzentriert er sich auf das ehemalige Biafra — ein heikles Thema  ■ Von Dominic Johnson

Kaum zwei Monate nach dem Besuch in Kuba unternimmt Papst Johannes Paul II. an diesem Wochenende wieder eine kontroverse Reise. Drei Tage wird er in Nigeria verbringen und damit Militärdiktator Sani Abacha den höchstrangigen Besuch seit dessen Putsch 1993 bereiten. Für Abacha, ähnlich wie für Fidel Castro, bedeutet der Papstbesuch Aufwertung und Risiko zugleich. Denn zahlreiche in- und ausländische Menschenrechtsorganisationen haben den Papst aufgefordert, bei seinem Treffen mit Abacha am Samstag und bei den zwei öffentlichen Messen am Sonntag und Montag heikle Themen wie die Freilassung politischer Gefangener oder die Überwindung der Militärherrschaft anzusprechen.

Die Beziehungen zwischen Staat und Katholiken, die etwa zwölf Prozent der nigerianischen Bevölkerung stellen, sind ohnehin schon gespannt. Nigerias katholische Kirche steht auf der Seite der Gegner des Militärregimes: Zum Abschluß ihres Jahrestreffens am 6.März erklärte die katholische Bischofskonferenz des Landes, Nigeria sei „kritisch krank“, und die Freilassung politischer Gefangener sei nötig, um die nötige „Versöhnung zwischen den Nigerianern“ herbeizuführen. Der ökumenische Dachverband aller christlichen Kirchen Nigerias präzisierte wenig später, die Kampagne für Abachas Verbleib an der Staatsspitze stünde „im Gegensatz zu Moral und Demokratie“. Im Januar beklagte der Vatikan, die Regierung Nigerias bleibe untätig angesichts einer Häufung von Angriffen gegen katholische Kircheneinrichtungen.

In den Auseinandersetzungen über Nigerias politische Zukunft nimmt der nigerianische Katholizismus eine besondere Stellung ein. Die Katholiken sind hauptsächlich unter dem Igbo-Volk im Südosten konzentriert, dessen Führer Distanz sowohl zur herrschenden muslimischen nordnigerianischen Militärelite als auch zu den heute in der Opposition zur Regierung stehenden zivilen Politikern im Westen um Lagos halten. 1967 hatte sich der Südosten unter Führung des Igbo-Politikers Odumegwu Ojukwu in einem eigenen Staat namens „Biafra“ abgespalten; die Niederschlagung der Sezession dauerte drei Jahre und forderte über eine Million Menschenleben. Der Biafra-Krieg trug dazu bei, daß Nigerias Militär eine herausragende Stellung in der Politik bekam, wovon sich das Land bis heute nicht erholt hat. Der Papst wird nun den Hauptteil seiner Visite in den zwei wichtigsten Städten des einstigen Biafra verbringen: Enugu und Onitsha. In Onitsha, das als Wiege des nigerianischen Katholizismus gilt, will er den verstorbenen Priester Cyprien Tansi seligsprechen und eine Messe vor zwei Millionen Menschen abhalten. Die Messe in der Hauptstadt Abuja wird viel kleiner, und Nigerias größte Stadt Lagos bekommt den Papst gar nicht zu sehen.

Daß sich der Papst vor allen den Igbos widmet, ist politisch brisant, weil die Igbo-Elite derzeit wieder separatistische Tendenzen entwickelt und sich vom Papstbesuch spirituell gestärkt fühlen darf. Unter Igbo-Intellektuellen ist die Klage verbreitet, Nigerias Politik werde vor allem im muslimischen Norden und in der Metropole Lagos gestaltet, und der Osten sei völlig marginalisiert. Gängig ist auch der Vorwurf, der Staat habe sich seit den 70er Jahren überhaupt nicht mehr um die Igbo-Regionen gekümmert, so daß das einst vorbildliche Schulwesen zerfalle und Igbo- Städte zu Hochburgen des Banditentums verkämen.

Der einstige Führer Biafras, Ojukwu, nennt sich mittlerweile „Eze Igbo“ (König der Igbo) und ist wieder politisch aktiv. Vergangene Woche hielt Ojukwu bei einer politischen Versammlung in Enugu eine Brandrede, in der er sagte, die Igbos würden in Nigeria heute als ewige Rebellen behandelt. „Der Krieg brachte Nigeria Frieden, aber keine Gerechtigkeit“, bilanzierte er die gescheiterte Biafra-Sezession und warnte: „Entweder sind wir vollwertige Nigerianer, oder wir sind draußen.“ Dafür erhielt er zehnminütige stehende Ovationen.

Daß die katholische Kirche sich solchen Tendenzen nicht verschließt, zeigt der Umstand, daß die Jahrestagung der katholischen Bischofskonferenz dieses Jahr zum erstenmal seit 1967 wieder in Onitsha stattfand. Sollte der Papstbesuch dort ein Erfolg werden, könnte das dazu beitragen, daß die politische Krise Nigerias um einen regionalen Konflikt im Osten des Landes bereichert wird.