Monika Böttcher findet keine Ruhe

■ Über Revision der Staatsanwaltschaft wird demnächst verhandelt. Auch Generalbundesanwalt kämpft gegen Böttchers Freispruch. Ihre Töchter wurden 1986 getötet

Freiburg (taz) – Der Fall Monika Böttcher (früher: Monika Weimar) wird vor dem Bundesgerichtshof teilweise neu aufgerollt. Am 1. Juli wird der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe über die Revision der Staatsanwaltschaft verhandeln. Monika Böttcher war im Juli des Vorjahres vom Landgericht Gießen aus Mangel an Beweisen vom Vorwurf des Mordes an ihren beiden Töchtern Melanie und Karola freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft bemängelt jedoch, daß eine wichtige Zeugin nicht angehört worden war.

Die Zeugin, eine Nachbarin der Familie Weimar, will die Töchter noch am Morgen des 4. August 1986 lebend gesehen haben. Eine Aussage, die mit der Version Monika Böttchers vom Tathergang nicht zu vereinbaren ist. Nach Böttchers Schilderung hatte nämlich ihr damaliger Mann, Reinhard Weimar, die Kinder bereits in der Nacht zum 4. August getötet. Sie sei in jener Nacht von einem Treffen mit ihrem amerikanischen Liebhaber nach Hause gekommen und habe die Mädchen leblos im Kinderzimmer vorgefunden. Die Staatsanwaltschaft war dagegen immer davon ausgegangen, Böttcher habe die Kinder am nächsten Morgen selbst getötet.

In einem aufsehenerregenden Indizienprozeß war die zweifache Mutter 1988 vom Landgericht Fulda wegen zweifachen Mordes verurteilt worden. 1989 verwarf der Bundesgerichtshof die Revision Böttchers. Auch eine Verfassungsbeschwerde blieb ohne Erfolg. Doch Monika Böttcher gab nicht auf. Gemeinsam mit dem Verteidiger Gerhard Strate aus Hamburg betrieb sie die Wiederaufnahme des Verfahrens. Und in zweiter Instanz, vor dem Oberlandesgericht Frankfurt, hatte sie 1995 tatsächlich Erfolg. Nach neunjähriger Haft kam Böttcher wieder frei. Im Frühjahr 1997 wurde das Verfahren dann vor dem Landgericht Gießen noch einmal ganz neu aufgerollt.

Nach 55 Verhandlungstagen erfolgte schließlich der Freispruch. „Das Geschehen liegt nahezu elf Jahre zurück, Erinnerungen der Zeugen sind verblaßt, oder sie haben überhaupt keine Erinnerung mehr“, sagte der Vorsitzende Richter Weller bei der Urteilsverkündung. Auch ein Fasergutachten entlastete Monika Böttcher. Entschädigung für die erlittene Haft erhielt sie allerdings nicht, denn sie habe durch widersprüchliches Aussageverhalten die Strafverfolgung selbst verschuldet.

Doch mit diesem Freispruch war der Mammutprozeß nicht zu Ende. Denn die Gießener Staatsanwaltschaft legte umgehend Revision ein. Allerdings hat ihre Begründung ein „Gschmäckle“. In der Verhandlung hatte sich die Staatsanwaltschaft nämlich noch so sicher gefühlt, daß sie nicht auf einer mündlichen Vernehmung der Nachbarin bestand, sondern einer Verlesung ihrer Aussage zustimmte.

Völlig aussichtslos ist die Revision sicher nicht. Immerhin wird sie vom Hessischen Generalstaatsanwalt und vom Generalbundesanwalt mitgetragen. Letzterer hat auch beantragt, daß vor dem BGH mündlich verhandelt wird. So hofft die Behörde, ihre Argumente besser zur Geltung bringen zu können. Da ein solcher Antrag auf mündliche Verhandlung immer befolgt werden muß, ist die Festsetzung eines Verhandlungstermins allerdings noch kein Erfolg der Staatsanwaltschaft. „Der zuständige Senat hat sich mit der Sache inhaltlich noch gar nicht befaßt“, betonte gestern ein Gerichtssprecher als Reaktion auf anderslautende Fernsehberichte.

Bei der Revisionsverhandlung kann es nur noch um die gerügte Verlesung der Zeugenaussage gehen. Alle anderen Fragen, etwa im Hinblick auf das umstrittene Fasergutachten, werden nicht mehr neu aufgerollt. Allerdings würde bei einem Erfolg der Revision eine völlige Neuauflage des Prozesses notwendig. Monika Böttcher wird nach Aussage ihres Verteidigers an der Revisionsverhandlung in Karlsruhe nicht teilnehmen. Christian Rath