Widerstand im Fuchsbau

Eingebuddelt unter der B 27, versuchen AktivistInnen den Castor-Transport aus Neckarwestheim aufzuhalten. Polizei beschlagnahmt Ü-Wagen von Greenpeace  ■ Aus Walheim Heide Platen

Das Loch an der Böschung oberhalb des Kohlekraftwerkes Walheim ist winzig wie ein Fuchsgang. Ein gelber Atemschlauch ragt heraus. Drinnen röchelt es. Darunter stehen mehrere Polizisten – ratlos. Die als Beistand herbeigerufenen Experten einer Baufirma sehen ebenfalls betreten drein. Die Bundesstraße 27 ist das Nadelöhr. „Das Einsatzkonzept der Polizei“, sagt Holger Petersen von Greenpeace anerkennend, „hat eben Löcher.“

Dieses hier haben zwei Atomkraftgegner unter die Straße gebuddelt, über die die drei 120 Tonnen schweren Castor-Behälter zur Umladestation im Kohlekraftwerk rollen können. Ein Polizeihund scheitert im Einsatz. Für ihn ist das Loch zu klein. Petersen bestaunt diesen „originären und originellen Widerstand“ aus der Region fachmännisch. Seine vier Aktivisten hocken auf der 80 Meter hohen Plattform des Kraftwerksschornsteins. Sie sind, versichert Petersen, gut in Form, gut versorgt und filmen das Geschehen.

Dies kam am Mittag in Bewegung, als die Polizei gegen 13 Uhr begann, die Straßen zwischen Walheim und dem sechs Kilometer entfernten Gemeinschaftskernkraftwerk (GKM) in Neckarwestheim zu sperren. Dort harrten seit den frühen Morgenstunden rund zweihundert vor allem junge Leute aus, um das Tor 2 für die Transportfahrzeuge zu blockieren. Sie kampierten auf dem Asphalt, hörten Musik und leerten ihre Thermoskannen. Verglichen mit dem letzten Transport im Februar 1997 war die Atmosphähre anfangs fast friedlich. Nur eine dünne Polizeikette sperrte den Eingang ab. Manchen der AktivistInnen des Aktionsbündnisses Castor Widerstand Neckarwestheim war immer noch etwas mulmig zumute, wenn wieder eine kleine Handvoll Bunt- und Schwarzgewandeter eintraf. „Aber Steine werfen die nicht. Hier in der Gegend gibt's nämlich keine Steine.“

Steine warfen dagegen ein Dutzend Polizeibeamte, die mit Hilfe eines Baubaggers, mit Spitzhacken und Schaufeln versuchten, die Eingebuddelten an der Böschung auszugraben. Sie scharten ganze Felsbrocken zur Seite, verschütteten dabei die Tunnelöffnung und arbeiteten sich seit 14 Uhr immer weiter unter die Straßendecke. Nach und nach zerrten sie Jutesäcke und feuchte, sandige Schlafsäcke heraus. Der Einsatz wurde lebensgefährlich für die Menschen in dem Loch. Währenddessen schlugen Polizisten im Gelände des Kohlekraftwerks zu und beschlagnahmten kurzerhand den Übertragungswagen von Greenpeace, mit dem die Umweltorganisation vom Turm aus aufgenommene Bilder der Ereignisse an die Medien verschickt hatte. Ab 15.15 Uhr gab es in der Region des Atomkraftwerkes für dessen Gegner keinen Strom mehr.

Am späten Nachmittag rechneten die Demonstranten auch mit einer Räumung am Tor 2, weil es der Polizei inzwischen gelungen war, einen der Eingegrabenen aus dem Loch unter der B 27 zu zerren und abzuführen.