"Eine lustvolle Sache"

■ Gabi Bangel, Touristik-Referentin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), über die gestiegenen Ansprüche der Reiseradler sowie Planung und Vorbereitung von Radtouren

taz: Deutschlands erster Weltumradler, Heinz Helfgen selig, fuhr los auf einem einfachen Velo mit Dreigangschaltung, hatte 3,80 Mark, ein Zelt und ein paar Stullen dabei. Das war Anfang der Fünfziger – die heutigen Reiseradler sollen anspruchsvoller sein?

Gabi Bangel: Sind sie. Viele Ansprüche stammen vom Autotourismus, sind aber dennoch gerechtfertigt. Auch Reiseradler wollen beschilderte Routen, brauchen spezielle Karten, mit denen sie Sehenswürdigkeiten und Badeseen finden. Und sie wollen Unterkünfte, die an der Route liegen – sowohl Vier-Sterne-Hotels als auch Heuhotels. Vom gut ausgestatteten Reiserad und dem ganzen Zubehör mal abgesehen.

Wer mit dem Rad verreist, wird nicht mehr belächelt?

Eher bewundernd angeguckt. Der Radtourismus hat längst sein Arme-Leute-Image verloren. Wer heute mit dem Rad vorfährt, gilt als sportiv und als jemand, der Geld in die Regionen bringt.

Kommt der neue Typ des Reiseradlers auf seine Kosten? Wird er selbst in besseren Hotels nicht mehr schräg angesehen?

Das ist noch sehr unterschiedlich, aber es entwickelt sich eindeutig positiv. In bestimmten Regionen wie zum Beispiel an der Donau werben die Hotels mit Schildern „Radfahrer willkommen“. Man hat gemerkt, man macht eine gute Mark mit ihnen. In anderen Regionen ist das aber noch entwicklungsbedürftig. Der ADFC fördert das mit seinem Projekt „Bett& Bike“: Innerhalb eines Jahres haben sich bei uns 1.200 Hotels gemeldet, die als radfahrerfreundlich ausgezeichnet werden möchten. Im Sommer erscheint eine Neuausgabe unseres gleichnamigen Ratgebers, in dem ein Großteil dieser Hotels aufgeführt ist, neben weiteren radfahrergerechten Beherbergungs- und Gastronomiebetrieben sowie Campingplätzen.

Was geben Radtouristen aus?

Bisher können wir nur auf regionale Untersuchungen zurückgreifen, die aber übertragbar sind. Radreisende, die entlang der Mosel unterwegs sind, geben etwa pro Tag und pro Kopf 98 Mark aus. Und das ist gerechnet ohne die Kosten für An- und Abreise. Das sind immerhin 20 Prozent mehr, als ein Durchschnittstourist in der Region läßt.

Und wer die 100 Mark pro Tag nicht ausgeben kann oder will, sollte lieber nicht auf Radtour gehen und statt dessen nach Mallorca fliegen?

Nach wie vor kann man den Radurlaub sehr billig gestalten. Es gibt mittlerweile viele Bauern, die sogenannte Heuhotels als ein zusätzliches Einkommen ansehen und ganz professionell billige Schlafplätze in der Scheune und dazu ein exzellentes Frühstück anbieten. Es gibt die Jugendherbergen, und dann hilft noch der „ADFC-Dachgeber“. Hier hat man die Qual der Wahl unter 3.000 gastfreundlichen Adressen in ganz Deutschland. Bei jeder kann man übernachten, kostenlos! Einzige Bedingung neben einer Aufnahmegebühr von 18 Mark: Man muß selbst bereit sein, andere Radtouristen bei sich aufzunehmen.

Wo bekommen die Reiseradler die ganzen Informationen, die sie brauchen – über lohnende Ziele, ruhige Straßen, Übernachtungsmöglichkeiten, über die Verknüpfungsmöglichkeiten mit anderen Verkehrsmitteln? Herkömmliche Reisebüros sind doch wahrscheinlich mit derartigen Fragen überfordert?

Immer noch, leider. Radurlaub ist immer noch etwas, bei dem vieles selbst organisiert werden muß, was allerdings auch Spaß machen kann. Wer das nicht will, wird von uns an unseren Kooperationspartner K.O.R.B. verwiesen, der einen Zugriff auf 200 Pauschalveranstalter hat. Für Individualisten halten wir selbst eine Menge Serviceleistungen bereit, von Kurz-Infos über alle Bundesländer und europäische Staaten bis hin zu unserer ADFC-Mitradelzentrale, die radfahrenden Singles Tourenpartner vermittelt. Positiv finden wir, daß immer mehr Fahrradgeschäfte dazu übergehen, wenigstens touristische Basisinformationen bereitzuhalten.

Sind Radreisende die glücklicheren Urlauber?

Auf alle Fälle fallen sie auf durch ihre Kommunikationsfreudigkeit, sie sitzen nicht im Auto hinter Glas, sondern haben den direkten Kontakt zur Bevölkerung. Sie tun ihrem Körper und ihren Sinnen etwas Gutes. Sie können sich während der Fahrt unterhalten, sie können aber auch nachdenken, meditieren, sich immer wunderbar entspannen. Und abends sind die Radtouristen stolz über ihre Leistung und belohnen sich mit einem guten Essen. Doch, eine Radreise ist meistens eine lustvolle Sache. Interview: Helmut Dachale

Weitere Infos siehe im Kasten „Übernachten und mehr“