Klage gegen PDSler

■ Bundesweit einmaliger Vorgang: Landtag in Sachsen leitet Anklage gegen Abgeordnete ein

Dresden (AP/taz) – Als erstes Parlament hat der sächsische Landtag beschlossen, gegen Abgeordnete ein Anklageverfahren zur Aberkennung ihres Mandats einzuleiten, weil sie als inoffizielle Mitarbeiter für die DDR-Staatssicherheit gearbeitet haben. Am späten Donnerstag abend machte er in Dresden mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit von 88 Stimmen den Weg frei für ein entsprechendes Verfahren gegen drei PDS-Abgeordnete vor dem Verfassungsgerichtshof in Leipzig. Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) muß nun bis zum 8. April die Klage einreichen.

Der namentlichen Abstimmung war eine emotional sehr bewegte dreistündige Debatte vorausgegangen, in der sich die betroffenen PDS-Parlamentarier Klaus Bartel aus Chemnitz, Sieghard Kosel aus Bautzen und Jürgen Dürrschmidt aus Dresden mit dem Hinweis auf das freie Mandat verteidigten. Das angestrebte Verfahren sei rechtswidrig, sagte Bartel. Kosel verkündete: „Ich beuge mich nicht der Mehrheit des Landtages.“ Dürrschmidt appellierte an die Abgeordneten von CDU und SPD, genau zu prüfen, ob sie die Entscheidung mit ihrem Gewissen verantworten könnten. Alle drei berufen sich vor allem darauf, daß die Wähler bei der Landtagswahl 1994 von ihrer Stasi-Mitarbeit wußten.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Peter Adler, entgegnete, daß das Verfahren rechtsstaatlich sei, und hob die Unabhängigeit des Verfassungsgerichts hervor. Für die mit absoluter Mehrheit regierende CDU sagte deren Fraktionsvorsitzender Fritz Hähle, daß sich der Landtag nicht zum Richter aufschwinge, sondern einem Gericht die Entscheidung überlasse. Die PDS-Fraktion hält die Abgeordnetenklage dagegen für grundgesetzwidrig.

Bartel wird vorgehalten, als 18jähriger Berichte über die Anwohner der Grenze zur Tschechischen Republik an die DDR- Staatssicherheit geliefert zu haben. Kosel arbeitete in seiner Funktion als ehemaliger Chefredakteur einer sorbischen Zeitung in Bautzen 18 Jahre lang für die Stasi, und Dürrschmidt wurde in seiner Funktion als FDJ-Funktionär an der Technischen Universität Dresden als IM geführt.

Die Debatte über die Vergangenheit der drei PDS-Parlamentarier hatte bereits im April vergangenen Jahres begonnen, als der Bewertungsauschuß des Landtages die IM-Tätigkeit der Betroffenen feststellte. Im Herbst 1997 hatten dann Abgeordnete von CDU und SPD die Erhebung der Abgeordnetenanklage beantragt. Daraufhin erarbeitete der Immunitätsausschuß des Landtages eine Beschlußempfehlung, die Grundlage für die Entscheidung des Landtages am gestrigen Donnerstag war. J.K.