Gysi als Stasi-Mitarbeiter belastet

■ Für die Mehrheit des Immunitätsausschusses des Bundestages ist erwiesen, daß der PDS-Politiker Gysi Informant der Stasi war

Berlin (taz) – Der Vorsitzende der Bundestagsgruppe der PDS, Gregor Gysi, „hat seine herausgehobene Stellung als einer der wenigen Rechtsanwälte in der DDR genutzt, um als Anwalt auch international bekannter Oppositioneller die politische Ordnung der DDR vor seinen Mandanten zu schützen“. Es sei „erwiesen“, daß er für das Ministerium für Staatssicherheit tätig war. Zu diesem Ergebnis kommen CDU, SPD und Bündnisgrüne in ihrem Abschlußbericht für den Immunitätsausschuß des Bundestages, über den gestern mehrere Zeitungen berichteten. Nach Würdigung der umfangreichen Unterlagen kommen die drei Fraktionen zu dem Schluß, Gysi habe sich „in die Strategie der Stasi einbinden lassen“, deren Ziel „die möglichst wirksame Unterdrückung der demokratischen Opposition in der DDR“ gewesen sei.

Wie der Tagesspiegel berichtet, habe Gysi 1978/79 im Fall Bahro als IM „Gregor“ die Stasi beliefert. Bei der Lieferung von Informationen über Robert Havemann 1977 bis 1982 seien die Decknamen „Notar“ und „Gregor“ verwendet worden. Dem Bericht der Sächsischen Zeitung zufolge habe Gysi seine Anwaltstätigkeit unter anderem für Havemann, Rudolf Bahro sowie Gerd und Ulrike Poppe „dazu benutzt, um im Rahmen seiner inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS Informationen über seine Mandanten zu liefern und Arbeitsaufträge des MfS auszuführen“.

Gysi bestreitet nach wie vor eine Zusammenarbeit mit der Stasi. Er hatte dabei schon früher auf die Möglichkeit verwiesen, unwissentlich über andere Quellen abgeschöpft worden zu sein. Der Bericht hält es jedoch für eine „nicht stichhaltige Schutzbehauptung“ Gysis, daß er nur zum Zentralkomitee der SED Kontakt gehabt und von seinen verschiedenen Erfassungen nichts gewußt habe.

Die FDP im Immunitätsausschuß kommt laut Sächsischer Zeitung allerdings zu dem Schluß, trotz „wesentlicher Indizien“ lasse sich eine Stasi-Tätigkeit „nicht zweifelsfrei nachweisen“. Auch die PDS-Gruppe sieht eine Stasi-Tätigkeit ihres Vorsitzenden als nicht erwiesen an.

Am Montag werden die Berichterstatter des Ausschusses ihre Berichte abgleichen und prüfen, inwieweit sie zu einem gemeinsamen Votum kommen. Im Laufe der Woche soll dann der Immunitätsausschuß darüber beraten. Um zu einem Votum zu kommen, reichen zwei Drittel der Stimmen. Diese Mehrheit ist mit einer gemeinsamen Stellungnahme von SPD, CDU und Grünen erreicht. Wenn sichtbar ist, daß der Ausschuß einen solchen Beschluß fällen werde, so ließ Gysi gestern erklären, werde er unverzüglich Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Die Obersten Richter hatten sich schon einmal mit dem Fall Gysi befaßt und damals dem Ausschuß aufgegeben, daß er „von den Verstrickungen des Abgeordneten eine so sichere Überzeugung gewinnen muß, daß auch angesichts der beschränkten Beweismöglichkeiten vernünftige Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung ausgeschlossen sind“. Zugleich hatten sie die Rechtmäßigkeit des Verfahrens attestiert. Sollte die erforderliche Mehrheit eine IM-Tätigkeit Gysis feststellen, hat das nicht zur Folge haben, daß er aufgefordert wird, sein Mandat niederzulegen. dr