: „Wir wollen keine albanischen Studenten“
Gestern nachmittag demonstrierten rund 10.000 Serben in der Hauptstadt des Kosovo. Gleichzeitig wurde ein Abkommen über die Rückkehr albanischer Studenten an die Universität Priština unterzeichnet ■ Aus Priština Erich Rathfelder
„Dies ist Serbien“, skandierten gestern rund 10.000 serbische Demonstranten in Priština, der Hauptstadt der serbischen Provinz Kosovo. Unter einem Meer jugoslawischer Fahnen forderten die Demonstranten die USA auf, den „albanischen Terror“ zu stoppen. Ibrahim Rugova, der Präsident der Albaner des Kosovo, wurde als Terrorist bezeichnet. Vor dem Treffen der Kontaktgruppe am Mittowch wollten die serbische Bevölkerung und viele aus Serbien mit Bussen angereiste Demonstranten den serbischen Anspruch auf den Kosovo unterstreichen.
Als unter den Demonstranten die Nachricht von der Unterzeichnung eines Abkommens über die Universitäten bekannt wurde, erhob sich ein Proteststurm. Die meisten der Demonstranten lehnten das Abkommen ab, das den albanischen Studenten wieder erlaubt, schon im Sommersemester an die Universität Priština zurückzukehren. „Wir wollen nicht mit albanischen Studenten zusammensein“, erklärten einige Studentenvertreter. Der serbische „Studentische Protestrat“ allerdings erklärte in einem Flugblatt, daß die Probleme an den Schulen und Universitäten „auf der Grundlage internationalen Rechts“ und unter „Respektierung der Minoritätenrechte“ gelöst werden sollten. Er forderte jedoch die Führung in Belgrad auch dazu auf, vor so weitgehenden Entscheidungen erst die Studenten zu konsultieren.
Auch die albanischen Studenten zeigte sich skeptisch über das Abkommen, das von einer Delegation unter Führung des ehemaligen Vizepräsidenten Fahmi Agani unterzeichnet worden ist. Sie würden jedoch erst den Text prüfen, bevor sie eine Stellungnahme abgeben wollten, erklärte Albin Kurti, Vizepräsident der unabhänigen albanischen Studentenunion. Die Unterzeichung des Abkommens wurde von der Demokratischen Liga des Kosovo als ein „erster Schritt“ hin zu einer Normalisierung des Erziehungssystems angesehen. Sprecher der größten Partei des Kosovo erklärten aber, jetzt müsse sich in der Praxis die Ernsthaftigkeit des serbischen Verhandlungswillens erweisen. Das Abkommen war schon 1996 unterzeichnet, doch niemals umgesetzt worden.
Unabhängigie Stimmen der albanischen Seite befürchten, das Abkommen sei nur deshalb unterzeichnet worden, um die Beschlüsse der Kontaktgruppe zu beeinflussen, die sich am Mittowch nach dem Ablauf des zehntägigen Ultimatums an die serbische Seite wieder mit der Lage im Kosovo befassen wird. Nähme es der jugoslawischen Präsident Slobodan Milošević ernst mit dem Annäherungskurs, müßten die Repression und die Belagerung der Region Drenica sofort beendet werden.
Nach der Einkesselung der Dörfer um das Städtchen Srbica (Skenderija) sind jetzt die westlich davon gelegenen Gebiete in die Schußlinie serbischer Sondereinheiten geraten. Die Sonderpolizei wurde dort verstärkt. Sprecher albanischer Organisationen in der zweitgrößten Stadt des Kosovo, Peja (Pec), gehen davon aus, daß nach dem Treffen der Kontaktgruppe ein Angriff der Polizei erfolgen wird. Nach Gerüchten soll es in der Region auch bewaffnete Albaner geben, die bereit sein sollen, einen Angriff zurückzuschlagen. Kosovo-albanische Politiker weisen jedoch darauf hin, daß es sich bei diesen Kräften auch um Provokateure handeln könnte, um den westlichen Teil der Region Drenica von Albanern zu säubern. Nach wie vor ist die Bevölkerung der Dörfer um Srbica aus ihren Häusern vertrieben, die Bewohner leben noch in den Wäldern. Nach wie vor wird auch die Versorgung dieser Menschen mit humanitärer Hilfe von der Polizei unterbunden.
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