Planloses Prosapatchwork

■ Jürgen Fuchs' „Magdalena“über die Stasi und ihre Aufarbeitung will ein Roman sein, ist aber ein Erlebnisbericht

Was wissenswert ist über Jürgen Fuchs als DDR-Dissidenten und verfolgten Autor sowie über sein neues Buch Magdalena als Stellungnahme im Streit um die Sichtung der Stasi-Akten – das war am Samstag bereits im Feuilleton dieser Zeitung zu lesen, in Form eines ausführlichen Interviews. Der zuständige Rezensent bewies dabei diplomatisches Geschick: Weil er das Zweiergespräch als Präsentati- onsform gewählt hat, ist ihm die literarische Wertung des Buches erspart geblieben: Sie verschwindet hinter Fuchs als Person und hinter seinen politischen Thesen.

Nun legt Magdalena aber großen Wert darauf, ein richtiger „Roman“zu sein, und darum sollte man den Text auch als solchen behandeln. Anläßlich der heutigen ersten Vorstellung des Werks, sei das ästhetische Urteil in der gebotenen Kürze nachgeholt: Magdalena ist, bei aller Brisanz seines Themas, als „Roman“leider gänzlich mißraten. Fuchs hat versucht, dokumentarisches Material – seitenlange Auszüge aus seinen Stasi-Akten und Verhörprotokollen – mit der subjektiven Reflexion von Gegenwart und Vergangenheit zu mischen. Dabei ist ein unübersichtliches Prosa-Patchwork herausgekommen, denn auch die mindeste stilistische Durcharbeitung fehlt. Die übermäßig vielen, dabei völlig planlos ineinandergerührten Reflexions- und Erzählebenen verleiden die Lektüre schon nach wenigen Seiten gründlich.

Hinzu kommt der unnötig überpointierte Jargon der Betroffenheit, in dem der Autor seinen wachsenden Zorn über das Versagen der Gauck-Behörde darbietet. „Heiß“will er schreiben. „Heiß“heißt dabei: Mal irrt die Erzählung den Assoziationen hinterher, die den Autor bei der Sichtung seiner Akten ereilen; mal wird der Leser, wie von einem erregten Deklamatoren, mitten im Satz angerufen und zur Stellungnahme aufgefordert.

Doch dürfte die konfuse Gesamtform des „Romans“jede weitergehende Bereitschaft zur Auseinandersetzung schon im Ansatz ersticken. Magdalena ist ein Erlebnisbericht, der als Selbsttherapie vielleicht taugt. Ein Buch für Leser ist es deswegen noch lange nicht – und erst recht kein „Roman“. Ob dieser Mangel an künstlerischer Substanz dadurch wettzumachen ist, daß Fuchs seine Lesungen von der berüchtigten Heulboje Wolf Biermann „auflockern“läßt? Hier wäre wohl, insgesamt, nach der politischen auch einmal eine ästhetische Vergangenheitsbewältigung fällig.

Jens Balzer

Jürgen Fuchs: „Magdalena. Mfs, Memphisblues, Stasi, Die Firma, VEB Horch und Gauck – Ein Roman“, Rowohlt Verlag, Berlin 1998, 480 Seiten, 45 Mark

Lesung: heute, 20 Uhr, Thalia Theater (mit Wolf Biermann)