■ Agenda 2000: EU-Kommission möchte kleine Bauernhöfe fördern
: Die Richtung stimmt

Die Regierungen wagen es nicht mehr, sich gegen die Lobby-Einflüsse durchzusetzen. Überfällige Reformen werden unter dem Druck der Wirtschaftsverbände bis zur Sinnlosigkeit verwässert. Um überhaupt noch etwas zu schaffen, sind die EU-Regierungen dazu übergegangen, sich äußere Zwänge zu schaffen. Die Währungsunion ist so ein Beispiel, um die Sparhaushalte durchzusetzen. Die Osterweiterung ist ein anderes, mit dem der Agrarunsinn in der EU eingedämmt werden soll.

Was die EU-Kommission in der Agenda 2000 vorschlägt, fordern die Verbraucherverbände schon lange: Senkung der Garantiepreise und dafür monatliche Direktzahlungen an die Bauern. Dann kann man endlich gezielt die Landwirte fördern, die gefördert werden sollen – die kleinen und die ökologischen Höfe und jene, die Landschaftsschutz betreiben. EU- Agrarkommissar Franz Fischler möchte zudem, daß die nationalen Regierungen einen Teil der Subventionen übernehmen. Dann sind endlich wieder Parlamente für die Frage zuständig, welche Bauern wie gefördert werden sollen.

Genau das wollen der deutsche Bauernverband und der Landwirtschaftsminister verhindern. Sie fürchten die öffentliche Diskussion, weil dann ans Licht käme, wer von den Subventionen wirklich profitiert: die großen Höfe, die Agrarfabriken und die Chemieindustrie. Deshalb wird die Agenda 2000 als Niedergang des Abendlandes beschworen. 30.000 Bauern müßten allein in Bayern aufgeben, sagt die bayerische Staatsregierung. Bundesbauernminister Borchert verbreitet noch schlimmere Zahlen. Was sie nicht sagen: Schon jetzt geben in der EU jedes Jahr eine halbe Million Landwirte auf.

Es ist der Produktionsfortschritt, der die Bauern umbringt. Früher versorgte ein Landwirt drei Familien mit Lebensmitteln, heute sind es im Durchschnitt 70 Familien. Wenn weiter rationalisiert wird, werden es morgen 100 sein. Die Frage ist also: Welche Bauern sollen überleben? Die Erfahrungen mit den Preisgarantien zeigen, daß davon vor allem die großen Höfe profitieren. Die kleinen werden verdrängt. Die Agenda 2000 ist ein zaghafter Versuch, gegenzusteuern. Er geht nicht weit genug, aber die Richtung stimmt. Die Idee ist ohnehin nicht neu, aber sie hatte bisher keine Chance. Erst jetzt, seit die Osterweiterung der EU den nötigen Zwang liefert, werden die Regierungen langsam einsichtig. Die Ausdehnung der Garantiepreise allein auf Polen wäre schon nicht mehr zu finanzieren. Sie würde auch die polnischen Verbraucher ruinieren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Bundesregierung das auch den Bauern sagt. Solange Wahlkampf ist, wird weitergelogen. Alois Berger