Dem fröhlichen Irgendwie frönen

Jasagen zum Dilettantismus, Einverständnis mit der Nichtigkeit: Im BE brachte Thomas Heise das rätselhafte, aber bestimmt kritische Brecht/Hauptmann-Fragment „Jae Fleischhacker“ zur Uraufführung  ■ Von Petra Kohse

Schon das Brecht-Spektakel im letzten Sommer hat es gezeigt: Wenn man von den nachgelassenen dramatischen Fitzelchen des bereits völlig ausgesaugten B.B.- Kollektivs nicht mehr hält, als sie wert sind, kann man durchaus einigen Spaß damit haben. Armin Petras oder Leander Haußmann hatten sich da keinen Zwang angetan, Christoph Schlingensief naturgemäß ebensowenig. Den damaligen Chefdramaturgen des Berliner Ensembles, Carl Hegemann, im Husarenkostüm auf die Bühne zu holen war ein besonders lustiger Einfall von höchster symbolischer Kraft.

Jetzt ist ein weiteres „Fragment“ ins Zwielicht dramaturgischer Begierde geraten, „Jae Fleischhacker“, eine Fingerübung von Bertolt Brecht und Elisabeth Hauptmann aus den Jahren 1924/26, eine Vorarbeit zur „Heiligen Johanna der Schlachthöfe“. „Jae“ ist als Vorname eine Variante zu „Joe“ und spricht sich wie das „J“ in J.R. Ewing, und da wären wir schon auf der richtigen Fährte. Denn Jae ist ein Kapitalist, genauer: ein Weizenspekulant. Ein böser Mensch, der die, die ihm auf dem Weg nach oben geholfen haben, in den Abgrund stößt, dann wieder ein guter Mensch, der ein armes Mädchen heiratet und anständig behandelt.

Letztlich erfährt man nicht wirklich, wer oder wie Jae Fleischhacker ist, wie man auch nicht erfährt, warum die Familie Mitchell, deren Tochter Kate Jae heiratet, nach Chicago kommt, was sie dort macht und warum das alles in sozialer Hinsicht ziemlich schlimm ist. Aber es ist so, denn es ist – es ist ja Brecht – natürlich ein gesellschaftskritisches Fragment.

Thomas Heise ist das auf angemessen scheinende Weise egal. Der 43jährige Theater- und Filmemacher (sein Dokumentarfilm „Barluschke“ läuft heute an, vgl. das Interview auf Seite 15), der vor zwei Jahren zum letztenmal an diesem Theater inszenierte, Müllers „Bau“, zitiert zu Anfang einige Brecht-Haltungen und -Töne, um dann dem fröhlichen Irgendwie zu frönen, durchdringend rhythmisiert durch die Bolschewistische Kurkapelle.

Christoph Müller als Jae schickt sich kauend und mit offenem Hemd ins kraftvolle Vorzeigen der Entschlossenheit eines Geldmenschen, während ansonsten das Vorläufige, Fragende, aber auch Ungezwungene einer Laien-Ästhetik kultiviert wird. Wie Mira Partecke an ihrem kurzen Hemd über nackten Beinen zupft und freundlich ins Publikum strahlt, als sie den Text piepst, demzufolge Bess Mitchell, die zweite Tochter, drogensüchtig geworden ist in der großen Stadt und sich prostituieren muß; oder Jörg Michael Koerbl in verschiedenen Rollen den Versuch, dämonisch zu wirken, durch beherztes Lispeln zunichte macht – das wirkt auf nette Weise bewußt entgleist: Jasagen zum Dilettantismus.

Durch strengere Szenen, in denen der brechtisch-apodiktische Text akkurat gegeben wird, baumeln dafür prompt grotesk gefüllte Plastikwürste an Fleischerhaken, die aussehen wie die abgeschnittenen Beine einer Dixschen Dame (Bühne: Angelika Winter). Dann wieder unterbricht Stefan Kolosko das Geschehen als „Erzähler“ – mit einem Kopfverband, er hatte sich auf den Proben verletzt und trat zur Premiere am letzten Samstag erstmals wieder auf –, mümmelnd Bernhard Minetti oder durchaus lustig einen Nachrichtensprecher parodierend. So geht es dahin, bis es irgendwann aus dem Off heißt: „Die Stadt. Es regnet.“ Was es dann eine Minute lang tut, bevor der Vorhang fällt.

Man weiß überhaupt nicht, was das alles soll, hat aber einigen Spaß dabei – eine gutgelaunte Fußnote zum brechtüblichen Bescheidwissertheater, die im letztjährigen Spektakel gut aufgehoben gewesen wäre. Denn wirklich abendfüllend ist sie nicht und mit achtzig Minuten eindeutig zu lang. Kürzer und schneller wäre besser: als Einverständnis mit der Nichtigkeit.

Nächste Vorstellungen morgen und 10./11.4., 19.30 Uhr, Berliner Ensemble, Bertolt-Brecht-Platz1