What's hot, what's not
: Mafiosi in Hollywood

■ Bezeugt: Geschmack in und um Hollywood

Der Schmerz des gewesenen DDR-Bürgers findet seine Ursache darin, daß er sein DDR- Leben wertschätzen und bezeugen möchte, ihm aber niemand mehr zuhören will, nicht einmal andere ehemalige DDR-Bürger. Es wurde nämlich schon so viel bezeugt, in Talkshows und auf dem Papier. So sitzt der Bezeuger und Aufbewahrer denn traurig in seiner Kemenate und leidet stumm an der Mißachtung. Dieses Leiden ist falsch. Wie man es anders machen kann, wenn auch unter Schwierigkeiten, erweisen neuere Beispiele diverser Ex-Mafiosi. Mafiosi und Ex-Mafiosi sehen sich mit dem gleichen Problem konfrontiert wie gewesene DDR- Bürger. Das Werk ihres halben oder ganzen Lebens wird für mißlungen oder gänzlich falsch erklärt; sie selbst werden als therapiebedürftige, wenn nicht gar strafenswerte Krüppel gebrandmarkt. Aber sie wehren sich!

Nicht nur, daß Mafiosi und Ex-Mafiosi ein für alle Mal durchgesetzt haben, daß man ihre Biographie ernst nimmt, sie versuchen auch noch clevererweise, Geld aus ihrer Geschichte zu schlagen. Wachgerüttelt haben die Männer das öffentliche Interesse durch den regen Gebrauch von Handfeuerwaffen, wobei sie die Folgen von deren Gebrauch in Hollywood verkaufen. Was nicht mehr so ganz einfach ist. Seit der Erfolg von „Donnie Brasco“ ein wiedererwachtes Interesse an der Mob-Thematik indizierte, stehen nämlich Mafiosi, Ex-Mafiosi und Trittbrettfahrer in Hollywood Schlange, um ihre Lebensgeschichten loszuwerden.

Salvatore Gravano zum Beispiel war John Gottis rechte Hand. Gavanos wahre Geschichte wurde gerade von der Robert DeNiro gehörenden Firma Tribeca Productions für das Fernsehen verfilmt, was dem Berufskollegen und Kronzeugen Anthony Perri gar nicht behagte. Nicht wegen der Omerta, dem Schweigegebot des Vereins, o nein. „Wen kümmert es schon, ob Gravano nun 19 oder 90 Leute um die Ecke gebracht hat? Tja, meine Geschichte – das wäre ein Film!“

Der Andrang des Mobs ist so groß, daß der Eigentümer eines großen amerikanischen Verlags folgenden Ablehnungsbrief formulierte: „Dies ist eines der besten Mafia-Bücher, die ich je gelesen habe... Leider habe ich bereits ein Dutzend andere, die ich kaum je veröffentlichen werde.“

Für die amerikanische Justiz, so Premiere-Mann John Connolly, ergäben sich daraus ganz neue Möglichkeiten: Wenn Staatsanwälte den Mob nicht zum Reden bringen, so schaffen das Produzenten. Connolly pflegt selbst Kontakte zur Unterwelt. Kürzlich sollte er für einen Filmstar Kontakt zu einem Mafioso aufnehmen. Der ließ aus dem Knast ausrichten, der Star möge wegen des Geschäftlichen seine Frau anrufen, aber „nicht nach 9 Uhr abends; sie geht früh zu Bett“. Hat man sich das nicht etwas glanzvoller vorgestellt?

Längst ist zusammengewachsen, was zusammengehört. Ehemalige Mobster und Polizisten schreiben zusammen Drehbücher. Derweil sitzt der Rest der Mafiosi und Ex-Mafiosi in den Cafés herum und beschimpft sich gegenseitig, weil der jeweils andere das Mob-Leben überhaupt inkompetent oder nicht ausreichend effektvoll bezeugen würde. Das wiederum haben die Mobster mit manchen gewesenen DDR-Bürgern gemeinsam. Anke Westphal